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Politik: Privatbesuch mit großer Entourage

Das Eis beginnt zu tauen: Erstmals seit sieben Jahren reist wieder ein pakistanischer Staatschef zum Erzfeind Indien.

„Nächster Lunch in Pakistan“, titelte die indische Zeitung „Mail today“, auf der anderen Seite der Grenze freute sich die pakistanische Zeitung „Express Tribune“: „Singh nimmt Pakistan-Einladung an.“ Knapp vier Jahre nach der grässlichen Terrorattacke in Mumbai scheint das Eis zwischen Indien und Pakistan langsam zu tauen. Erstmals seit sieben Jahren besuchte am Sonntag wieder ein pakistanischer Staatschef den Erzfeind.

Zwar blieb der Tagesausflug von Präsident Asif Ali Zardari eher eine diplomatische Stippvisite, doch er hatte hohen Symbolwert. In Delhi kam Zardari zu einem 40-minütigen Gespräch und einem Mittagessen mit Indiens Regierungschef Manmohan Singh zusammen. Singh nahm Zardaris Einladung an, im Gegenzug Pakistan zu besuchen.

Es wäre sein erster Besuch seit seinem Amtsantritt 2004. Ein Termin ist noch offen. Singh drängte Zardari, zuerst die Hintermänner der Mumbai-Attentate hinter Gitter zu bringen. Dies gilt vor allem für den Gründer der von den USA zur Terrororganisation erklärten Lashkar-e-Toiba, Mohammad Saeed. Singh und Zardari zeigten sich mit den Gesprächen zufrieden, beide betonten ihren Willen, die Beziehungen zu normalisieren.

Auch die „Kronprinzen“ beider Länder hatten Zeit, einander zu beschnuppern: Rahul Gandhi, der 41-jährige Spross der Nehru-Gandhi-Dynastie, und Bilawal Bhutto, Sohn der ermordeten Benazir Bhutto, saßen beim Lunch zusammen. Entzückt twitterte der 23-jährige Bilawal später: „Köstliches Essen – es gibt viel voneinander zu lernen.“

Konkrete Ergebnisse brachte das Treffen nicht, es ging vor allem ums Klima. Von vorneherein hatte Zardari die Reise nicht als offiziellen Staatsbesuch, sondern als Privatvisite angelegt. Er unternahm eine Pilgerreise ins 350 Kilometer südwestlich von Delhi gelegene Ajmer, wo er einen berühmten muslimischen Schrein besuchte. Doch die Größe seiner Entourage offenbarte den Stellenwert des Ausflugs. So hatte er eine 40-köpfige Delegation im Gefolge.

Beim Essen ging es den Angaben zufolge auch um die Lage im Kaschmir. Singh bot Islamabad Hilfe bei der Bergung von 135 Soldaten an, die im pakistanischen Teil Kaschmirs nahe des Siachen-Gletschers in 4500 Metern Höhe am Samstag von einer Lawine begraben worden waren. Besonders drückt die Inder jedoch das Terrorproblem. Delhi wirft Islamabad vor, Terrorgruppen zu unterstützen oder zu dulden, die in Indien Anschläge verüben.

Zuletzt starben im November 2008 bei der dreitägigen Terrorattacke in Mumbai 166 Menschen, als zehn pakistanische Extremisten Nobelhotels und andere Orte angriffen. Der Anschlag hat die Beziehungen schwer belastet. Erst seit einigen Monaten scheint sich das Verhältnis zwischen den beiden Atommächten wieder zu entspannen.

Indien macht die pakistanische Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba (LeT) für das Massaker verantwortlich und pocht darauf, dass LeT-Gründer Saeed hinter Gitter kommt. Dieser lebt weiter unbehelligt in Pakistan und kann sogar Pressekonferenzen geben. Pakistans oberstes Gericht hatte 2010 geurteilt, dass es nicht genug Beweise für seine Festnahme gebe. Vor einer Woche setzten die USA plötzlich zehn Millionen Dollar für Informationen aus, die Saeeds Verurteilung erlauben würden – und gaben damit Indien Flankenschutz.

Angeblich wollen die Innenminister von Indien und Pakistan das weitere Schicksal Saeeds diskutieren. Die beiden Nachbarländer sind seit ihrer Unabhängigkeit von den britischen Kolonialherren 1947 verfeindet und haben vier Kriege geführt. Drei gingen um die geteilte Provinz Kaschmir, die beide für sich reklamieren. Viele Experten glauben, dass nur eine Lösung für Kaschmir den Frieden zwischen beiden Atommächten dauerhaft sichern kann. Doch bisher deutet sich in dieser Streitfrage kein Kompromiss an.

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