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Anhänger von Recep Tayyip Erdogan bei einer Demo in Köln im Mai 2014 in Köln

© dpa/Oliver Berg

Pro-Erdogan-Demonstration in Köln: Erlaubt ist, was gewaltfrei abläuft

Am Sonntag werden in Köln Anhänger des türkischen Präsidenten demonstrieren - seine Gegner ebenfalls. Der Staat darf nicht entscheiden, welche Demonstration genehm ist. Ein Kommentar.

Putsch in der Türkei vereitelt! Folter, Ausschreitungen, Staatsterror gegen vermeintliche oder tatsächliche Anhänger der Putschisten! Massenverhaftungen, Massenentlassungen! Die Türkei auf dem Weg in die Diktatur? Das lässt auch in Europa niemanden kalt. Am kommenden Sonntag wollen Erdogans Anhänger in Köln demonstrieren. Politische Gegner des Präsidenten berichten über Verfolgung und Schikane auch in Deutschland. Und nun eine Großdemo am Rheinufer? Mit 15.000 fanatischen Befürwortern des Erdogan-Kurses und vermutlich genauso vielen Gegendemonstranten – kann das gutgehen?

Wir begreifen: Es gibt keine Außenpolitik im klassischen Sinne mehr, sondern nur noch eine permanente Weltinnenpolitik. In der Ära der Globalisierung und Migration über Kontinente und Zivilisationen hinweg existieren Grenzen oft allenfalls formal. Sie schützen nur noch bedingt. Die Ereignisse und Probleme eines Landes oder einer Region wirken sich immer auch auf ganze andere, oft weit entfernte Gebiete aus. Das können befruchtende Einflüsse sein, durch Begegnungen mit anderen Kulturen etwa. Oft aber brechen sich furchtbare, zerstörerische Kräfte wie eine nicht aufzuhaltende Naturkatastrophe Bahn. Wir erleben es gerade durch den Terror des „Islamischen Staates“ nicht nur im Mittleren Osten.

In einem ebenfalls konfrontativen Sinn wirken sich, weltinnenpolitisch, der niedergeschlagene Putsch in der Türkei und die ihm folgenden autoritären Maßnahmen des Präsidenten Erdogan auch auf Europa aus. Anhänger des sich gestärkt fühlenden, seine Machtfülle ausgreifend gestaltenden Präsidenten demonstrieren auch in Deutschland oder Österreich. Die Art, wie sie demonstrieren, impliziert, dass ihre Sympathien nicht nur dem Sieg der Demokratie, sondern auch der ihm folgenden autoritären Richtungsänderung in der Türkei gelten.

In Wien und Berlin wird beklagt, dass sich diese Demonstrationen auch massiv gegen andersdenkende Türken richten, gegen Kurden und kurdische Institutionen. Jeder, der sich dem fanatischen Treuebekenntnis zu Erdogan nicht anschließt, muss damit rechnen, zum Gegner, zum Verfolgten zu werden. Erdogans Schergen, wird kolportiert, stellen auch über hier lebende Türken Listen zusammen.

Staat darf nicht entscheiden, welche Demonstration genehm ist und welche nicht

So etwas wäre, gerade im Vorfeld der Kölner Demonstrationen, eine nicht hinnehmbare Verformung des Begriffs der Weltinnenpolitik. Man muss nicht so weit gehen wie der österreichische Außenminister, der nach besorgniserregenden Vorfällen den türkischen Botschafter einbestellen ließ und in einem Interview erklärte: „Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren will, dem steht es frei, unser Land zu verlassen.“ Diese Position findet sicher auch hier große Sympathien, eine solche Verengung entspräche jedoch dem sehr großzügigen deutschen Verständnis des Demonstrationsrechtes nicht. Der Staat darf, so wird es hier gesehen, nicht entscheiden, welche Demonstration genehm ist und welche nicht.

Für Erdogan-Anhänger und Gegner gilt in Köln und anderswo, dass zulässig ist, was gewaltfrei verläuft und wo nicht zu Gewalt aufgerufen oder Gewalt verherrlicht wird. Vieles, was in der Türkei im Moment geschieht – Massenverhaftungen, Massenentlassungen, Sippenhaft, Folter und Gewalt – hat mit Recht nichts zu tun. Nur das Recht aber bestimmt den Rahmen dessen, was in Deutschland akzeptiert ist. Auch am Sonntag in Köln.

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