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Angela Merkel und Ursula von der Leyen vor der Fraktionssitzung.

© dpa

Probeabstimmung bei CDU/CSU: Union lehnt Frauenquote geschlossen ab

Die Unionsfraktion will am Donnerstag geschlossen gegen den Oppositionsantrag zur festen Frauenquote stimmen. Der Zorn ist aber groß. Vor allem auf eine.

Von Robert Birnbaum

Es gibt halt manchmal Zufälle. Am Dienstag herrscht in der Unionsfraktion das übliche Gedrängel kurz vor Sitzungsbeginn. Da schlängelt sich eine kleine Frau von ihrem Platz im Saal nach vorn hinters Podium zum Fraktionsgeschäftsführer. Auf dem Rückweg aber kommt Ursula von der Leyen an der Kanzlerin vorbei. Ja, da wechselt man natürlich ein paar Worte, ein Scherz, ein Lächeln, eine Hand vertrauensvoll auf einen Arm gelegt – die Kameras klicken. Schöne Bilder. Es gibt halt Zufälle. Als die Arbeitsministerin später in der Fraktion das Manöver verteidigt, mit dem sie die gesamte Union handstreichartig auf eine starre Frauenquote festgelegt hat, schlägt ihr eisiges Schweigen entgegen. Sie wisse, „dass wir einander viel zugemutet haben“, sagt von der Leyen. Das würden alle unterschreiben, die meisten allerdings mit einer Abwandlung: Viel zugemutet, so empfindet es fast die gesamte Fraktion, hat die Ministerin den anderen. Am Tag eins nach dem Quoten-Schwenk von CDU und CSU ist die Empörung in den eigenen Reihen noch groß. Öffentlich stellen sich nur wenige gegen den Beschluss des CDU-Vorstands, ins Wahlprogramm eine 30-Prozent-Frauenpflichtquote für bestimmte Wirtschaftsposten ab 2020 aufzunehmen. Es sind die üblichen Verdächtigen.

Der Chef des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, beharrt: „Eignung und Leistung müssen Maßstab für Stellenbesetzungen bleiben, nicht das Geschlecht.“ Auch CDU-Konservativen sehen Prinzipien verletzt: „Solch starre Vorgaben passen nicht zu unserer sozialen Marktwirtschaft“, warnt der Abgeordnete Thomas Bareiß. Doch der Zorn der meisten gilt weniger der Sache selbst, dafür ist die viel zu sehr bloßes Symbol: Die Quote a la CDU soll beschränkt sein auf den äußerst überschaubaren Kreis der Aufsichtsräte börsennotierter mitbestimmungspflichtiger Unternehmen. Regelrecht wütend macht viele die Methode. Von der Leyen hat den Kursschwenk mit einer Drohung erzwungen. Es war ja lange bekannt, dass eine Frauengruppe am Donnerstag einem von Hamburg initiierten Bundesratsantrag zustimmen wollte, der die fixe Quote zum Gesetz machen will. Richtig ernst genommen hat das lange keiner der Zuständigen – man hat solche Aufwallungen schon öfter erlebt, gerade bei den organisierten Frauen. Jedes Mal ist der Aufstand dann doch abgeblasen worden aus Rücksicht auf Koalitionstreue und Geschlossenheit. Und der Preis, den Fraktionschef Volker Kauder für den Frieden zahlen musste, bestand meist aus Bemühenszusagen.

Dass Leyen mit der Möglichkeit gespielt hat, sich den Dissidentinnen anzuschließen, verlieh der Sache einen völlig anderen Nachdruck. Denn jedem war klar: Wenn eine Bundesministerin und stellvertretende Parteivorsitzende sich ein Votum gegen die eigene Koalition herausnimmt, wäre kein Halten mehr. Parteichefin Angela Merkel und ihr Fraktionschef haben eingelenkt und bis Sonntagabend mit Leyen um einen Kompromiss gerungen. Am Montag wurde er den zumeist überraschten Mitgliedern des CDU-Vorstands präsentiert. Das Gremium nickte ihn nach längerer Debatte ab – nicht aus Überzeugung allerdings. Die Wut entlud sich danach in den internen Sitzungen der Fraktion. Im Fraktionsvorstand sprachen Kauder und die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt offen von „Erpressung“. So aufgeladen war dort die Stimmung, dass die Thüringerin Antje Tillmann den Frauen-Rebellen entgegenhielt, wenn sie nicht mit der eigenen Fraktion stimmen wollten, dann könnten sie ja gehen!

Bei den Treffen der Landesgruppen ging es nicht minder hoch her. Jeder Abgeordnete hat es schon mal erlebt, dass er für ein Lieblingsprojekt keine Mehrheit fand. Dass Leyen und die Frauen einen durchsichtig auf Spaltung bedachten Oppositionsantrag als Hebel benutzten, um ihre Minderheitenposition trotzdem durchzusetzen, gilt als ganz übles Foul. „Wenn sich Leyen jetzt irgendeiner Wahl zu stellen hätte“, schimpft ein baden-württembergischer Christdemokrat, „fiele sie glatt durch.“ Ein Kollege aus Nordrhein-Westfalen ergänzt: „Die ist nach der Aktion auf ganz breiter Front unten durch.“

In der Fraktionssitzung bleiben solche harten Worte aus. Die Führung preist den Quotenkompromiss als gute (Kauder) respektive vertretbare ( Merkel) Lösung an. Ihre Kritik bleibt mehr indirekt, etwa wenn Kauder sagt, solch ein Vorgang könne „nur einmalig bleiben.“ Oder wenn Merkel findet: „Wir haben uns miteinander etwas zugemutet.“ Immerhin stellt Kristina Schröder klar, dass sie dem Kompromiss am Wochenende nur zugestimmt habe, weil es um den Zusammenhalt der Partei gegangen sei. Die Familienministerin hat symbolisch das größte Opfer gebracht. Ihre „Flexi-Quote“ läuft nach der neuen Beschlusslage 2020 in eine Pflichtquote aus. Aber, sagt Schröder, sie habe um des großen Ganzen willen eingewilligt: Politik sei nämlich „keine Ich-AG“. Welche Miene von der Leyen in dem Moment gezogen hat, ist nicht überliefert. Die Ministerin hatte da aber schon zugesagt, dass sie im Bundestag nun dem SPD-Antrag nicht zustimmen werde – mit einem trotzigen Zusatz an die Adresse ihrer vielen Gegner allerdings: „... so schwer es mir fällt.“

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