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Seine Partei ist ihm in den Rücken gefallen – nun will Wolfgang Drexler nicht mehr für „Stuttgart 21“ sprechen. Foto: Bernd Weissbrod/dpa

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Politik: Probleme im Doppel

Der SPD-Politiker Drexler gibt seinen Posten als Sprecher des Bahnhofsprojekts „Stuttgart 21“ auf

Man hat ihm mit Mord gedroht, seine Tochter schikaniert, Briefe mit gefährlich dreinschauendem weißen Pulver ins Büro geschickt. Mindestens aber wollte man seinen Rücktritt. Genau den hat Wolfgang Drexler, der Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm, jetzt vollzogen. Aber nicht, weil ihn zehntausende Baugegner in die Knie gezwungen hätten. Sondern weil ihm zuletzt die eigene Partei, die SPD, in den Rücken fiel.

Vor einem Jahr hatte Drexler den Job übernommen, im Land für das Sieben-Milliarden-Projekt zu werben. Der damalige Regierungschef Günther Oettinger hatte die Idee dazu, die bis dato dissonante Öffentlichkeitsarbeit der Baupartner Bahn, Land, Region und Stadt zusammenzuführen. Er wollte zeigen, dass die große Landtagsmehrheit unisono hinter dem Umbau des Stuttgarter Bahnknotens und der Neubaustrecke über die Schwäbische Alb steht. Ehrenamtlich hat Drexler ein Büro aufgebaut, Kompetenz zusammengefasst und den Versuch unternommen, den seit 2002, als die Verträge zum Bau unterzeichnet wurden, niemand gemacht hatte: zu informieren und eine Anlaufstelle zu schaffen für alle, die Fragen hatten zum größten Infrastrukturprojekt der Republik.

Drexler, das bekannteste Gesicht der Südwest-SPD, ist vom Projekt überzeugt. Er setzte gleichwohl nicht auf eine Charmeoffensive (dazu ist er dann doch zu direkt), sondern beließ es bei Druckschriften und weit über 100 Aufklärungsveranstaltungen. Trotzdem häuften sich die Anfeindungen, besonders seit Beginn der Sommerferien, als die Gegner ihre Aktionen abstimmten und sich ihrerseits von einer Agentur beraten ließen. Zehntausende demonstrierten nun wöchentlich in der Innenstadt, und Drexler, den sonst wenig aus der Ruhe bringt, wurde unter diskreten Polizeischutz gestellt. Das bremste dann doch die Lust am „schwierigsten Job in diesem Land“, sagt er.

Doch auch die SPD verlor die Lust an Stuttgart 21. Dank Drexlers Doppelspiel zwischen Mandat und Sprecheramt verbindet sich viel Kritik am Bahnprojekt gerade mit den Südwest-Genossen. In der jüngsten Wahlumfrage sackten sie nach Union und Grünen auf Rang drei ab. SPD-Landeschef Nils Schmid leitete aus Furcht vor der drohenden Wahlniederlage im kommenden Frühjahr flugs die Wende ein, fordert trotz aller verfassungsrechtlichen Bedenken plötzlich einen Volksentscheid und nun, nach einer Klausur der Landtagsfraktion, auch einen sofortigen Baustopp. Obwohl Schmid noch vor wenigen Wochen verkündete, die seit Februar laufenden Bauarbeiten seien nun unumkehrbar.

Dieser jüngste Strategiewechsel brachte Drexler endgültig in die Bredouille: Er könne nicht als Sprecher Baufortschritte feiern und gleichzeitig als Landtags-Vizepräsident eine Fraktion repräsentieren, die für den sofortigen Stopp der Arbeiten plädiert. Wie sein Ulmer Parteifreund und Oberbürgermeister Ivo Gönner sehe er weiterhin „den immensen verkehrlichen, ökologischen und städtebaulichen Nutzen“, aber er sei eben auch ein „solidarischer Mensch“. Er habe sich entschieden, SPD-Politiker zu bleiben.

Die Befürworter bedauern den Rückzug und geben wie CDU-Generalsekretär Thomas Strobl der neuen Parteistrategie die Schuld: „Drexler wurde vom Schlingerkurs der SPD zerrieben.“ Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann ätzt: „Drexler war quasi Sprecher des Regierungslagers, so was muss natürlich schiefgehen.“

Indes erreichte der Streit um das Milliardenprojekt auch den Bundestag. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) rief in den Haushaltsberatungen des Parlaments die Gegner dazu auf, ihren Widerstand aufzugeben. „Stuttgart 21“ sei ein Projekt, das über viele Jahre hinweg nach allen Regeln rechtsstaatlicher Kunst zustande gekommen sei. Es könne daher nicht akzeptiert werden, dass die Demonstranten nun „ein vermeintlich höheres Recht“ in Anspruch nähmen, um das Projekt zu stoppen. „Ein Staat, der dies hinnehmen würde, würde sich als Rechtsstaat dem Zweifel preisgeben“, erklärte er.

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