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Politik: Probleme im Gepäck

Nach einem Krisentreffen zeigen sich die EU und Russland versöhnlich – ihr Gipfel wird aber schwierig

In letzter Minute hat die Stadtregierung im russischen Samara einen Aufmarsch von Putin-Gegnern am Rande des EU-Gipfels am Freitag genehmigt. Eigentlich wollten die Behörden die Demonstration eines Bündnisses um den Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow verbieten. Doch Deutschland, das gegenwärtig die EU-Ratspräsidentschaft innehat, soll über diplomatische Kanäle vor negativen Folgen für das international ohnehin ramponierte Ansehen Russlands gewarnt haben, wie kritische Radiosender in Moskau berichten. Führende Organisatoren des Protests wurden jedoch plötzlich zum Militär einberufen, andere vorübergehend festgenommen, einige sogar misshandelt. Und in der lokalen Redaktion der kritischen „Nowaja Gaseta“, dem Blatt, für das auch die im Oktober ermordete Journalistin Anna Politkowskaja gearbeitet hatte, beschlagnahmte die Polizei sämtliche Computer – und damit auch die Sonderausgabe zum Anti-Putin-Marsch.

Derartig überzogene Reaktionen sind keine gute Begleitmusik für den Gipfel, der ohnehin unter schlechten Vorzeichen stattfindet. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier flog am Dienstag kurzfristig nach Moskau, um zu retten, was noch zu retten ist. Denn bei vielen Problemen scheinen die Differenzen unüberbrückbar. Nach einem Gespräch mit Präsident Wladimir Putin zeigte sich Steinmeier vorsichtig optimistisch. Putin hob die Bereitschaft Russlands und der EU hervor, die bestehenden Hindernisse aus dem Weg zu räumen. „Das sind keine Konflikte zwischen der EU und Russland, sondern nur unterschiedliche Auffassungen, wie wir die Probleme lösen können“, sagte der Kremlchef. Die russische Seite räumte allerdings ein, dass bei zentralen Themen wie dem Fleischstreit mit Polen keine deutlichen Fortschritte erzielt worden seien.

Ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Russland – das gegenwärtige läuft zum Jahresende aus – steht in Samara daher gar nicht erst auf der Tagesordnung. Nach Polen, das sich bisher vergeblich um eine Aufhebung des russischen Einfuhrstopps für Fleisch bemüht, drohten auch die baltischen Staaten mit einer Blockade der Verhandlungen: Litauen, weil Moskau Öllieferungen stoppte, Estland, weil Russland sich für die Umsetzung eines Sowjetdenkmals mit Attacken kremlnaher Jugendorganisationen auf seine Botschaft in Moskau und mit indirekten Sanktionen rächte.

Zusätzlich in Rage brachte den Kreml dabei, dass nach Estland auch Polen zum Befreiungsschlag gegen Denkmäler der Sowjetära ausholt. Dazu kommt Frust über die geplante Stationierung von Teilen der US-amerikanischen Raketenabwehr in den einstigen Ostblockstaaten. Washingtons Vorwärtsverteidigung lieferte dem Kreml die Steilvorlage für ein Moratorium, mit dem Moskau die Erfüllung der KSE-Abkommen zur Begrenzung konventioneller Rüstungen in Europa aussetzt, bis der Vertrag von allen Nato-Mitgliedern ratifiziert wird. Und für die Stationierung russischer Raketenabwehrkomplexe in Turkmenistan, über die Putin bei seiner Zentralasienreise in der vergangenen Woche verhandelte. Die dabei unterzeichnete Absichtserklärung zum Bau einer Pipeline am Ostufer des Kaspischen Meers, mit der turkmenisches Gas über Kasachstan nach Russland gepumpt wird, sorgte dagegen in Europa für massive Verstimmung. Eine alternative Pipeline, wie sie die EU unter Umgehung Russlands plante, hat sich damit nahezu erledigt.

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