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Ein VW Golf in einem Autoturm.

© AFP

Produktionsstopp bei Volkswagen: Ein kluger Konzern schurigelt seine Lieferanten nicht

Ohne Gussteile kein Golf: Ein Zulieferer blockiert den Weltkonzern Volkswagen. Warum der Streit untypisch für die Branche ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Gute Nachrichten aus Wolfsburg sind seit einigen Monaten eher selten. Deshalb nutzte der größte Konzern Europas die Gelegenheit der Olympischen Spiel für eine Jubelmitteilung. Sieben Medaillen, davon fünf goldene, „bringen Sportlerinnen aus dem Volkswagen Konzern mit nach Hause“, freuten sich am Wochenende die Kommunikationsstrategen von VW. Der kleine Ausflug in die Welt des Sports wird ihnen gut getan haben, denn, um den früheren BVB-Stürmer Jürgen „Kobra“ Wegmann zu zitieren: „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.“

Ausgerechnet Volkswagen verhakt sich derartig mit einem kleinen Zulieferer, dass Zehntausende Beschäftigte kurzarbeiten müssen und Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil „Zwangsmaßnahmen“ ins Gespräch bringt. Er denkt offenbar an die Besetzung einer kleinen Fabrik im sächsischen Schönheide, um die dort produzierten Gussteile für Getriebe beschlagnahmen zu können.

VW braucht die Teile und hat kurzfristig keinen Ersatzlieferanten zur Hand. Ohne das Schlüsselprodukt aus Schönheide aber passiert nicht mehr viel in einer Handvoll VW-Fabriken mit rund 50.000 Beschäftigten. Und als nächstes könnten Werke von Seat und Skoda betroffen sein. Das Getriebewerk in Kassel versorgt nicht nur VW, sondern auch andere Konzernmarken.

Und so wird aus dem Größenvorteil plötzlich ein bedrückender Nachteil. Das Ärmchen eines Zulieferers kann die Räder im Weltkonzern blockieren. Ein erstaunlicher Vorgang mit vielen Facetten, der überaus komplex ist und deshalb auch vor Gericht liegt. Offenkundig war Volkswagen mit der Qualität von Sitzbezügen, die das Unternehmen Prevent auch liefert, nicht zufrieden und hat einen Vertrag gekündigt. Prevent hatte aber bereits Vorleistungen erbracht und wollte dafür einen Ausgleich von VW, über dessen Höhe man sich nicht verständigen konnte. Um Druck auf den Wolfsburger Großkunden zu machen, stoppte Prevent die Lieferung der Gussteile.

Die Partnerschaft ist fairer und stabiler geworden

Das sieht nach Erpressung aus, und VW hat ja auch einen ersten Erfolg vor Gericht erstritten. Doch was veranlasst ein Unternehmen, sich derart lebensmüde zu verhalten? Haben die Einkäufer in Wolfsburg zuvor ihre Macht ausgespielt und den kleinen Lieferanten so ausgepresst, dass dem am Ende alles egal ist? Welcher Autohersteller wird künftig von Prevent noch Produkte kaufen?

In den 1990er Jahren war das Verhältnis von Autoherstellern und Lieferanten prekär, der Kostenkiller und VW-Chefeinkäufer José López steht für diese Zeit. Doch die Beziehung hat sich verändert. Weil die Hersteller immer mehr Wertschöpfung an ihre Lieferanten vergeben oder outgesourct haben, nicht zuletzt Entwicklungskompetenz, ist die Partnerschaft fairer und stabiler geworden. Kein klug agierender Autokonzern wird seine Lieferanten so schurigeln, dass deren Qualität leidet und am Ende wegen Macken am Auto extrem teure Rückrufaktionen fällig werden. Die Lieferkette ist alles in allem intakt und einer der Gründe für den herausragenden Erfolg der deutschen Autoindustrie. VW ist gerade eine Ausnahme. Und allein mit Pech ist das kaum zu erklären.

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