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Strick um den Hals. Der Tod sei angesichts von Portugals Wirtschaftslage die beste Lösung, lautet die Botschaft eines Demonstranten in Lissabon.

© dpa

Protest in Portugal: Staatsdiener legen Arbeit in Krankenhäusern und Schulen nieder

In Portugal streiken Staatsdiener in Krankenhäusern und Schulen gegen den Sparkurs der Regierung. Nach Gewerkschaftsangaben handelt es sich dabei um einen der größten Streiks der vergangenen Jahre. Der Sparhaushalt für 2014 dürfte aber vor allem davon abhängen, was das Verfassungsgericht dazu sagt.

Jacinto do O’ sitzt vor sechs Überwachungsmonitoren, die nebeneinander aufgereiht sind. Wenn der 56-jährige Hafenarbeiter seinen Blick im Kontrollraum hebt, kann er zunächst auf Gas-Tanklager schauen, dahinter liegt der Atlantik. Die „Atlantic Moon“ kommt gerade hinein in den Hafen, die „MSC Kyoto“ verlässt ihn. Alltag in Sines, 150 Kilometer südlich von Lissabon. Hier liegt der westlichste Hafen Europas, und wenn es nach den Chefs von Jacinto do O’ geht, soll hier demnächst noch sehr viel mehr Betrieb herrschen.

Derzeit werden am Containerterminal von Sines jährlich 1 100 000 Frachtbehälter umgeschlagen, am Ende des kommenden Jahres sollen es 1 700 000 sein. Wegen der verfügbaren Flächen könnten es auch irgendwann zehn Millionen sein. Damit würde der günstig zwischen China und der US-Ostküste gelegene Hafen in dieselbe Liga wie Hamburg oder Rotterdam aufsteigen. Allerdings gibt es ein kleines Problem: Die Anbindung an das spanische Schienennetz, die einen groß angelegten Weitertransport von Containern über das Binnenland erlauben würde, lässt sehr zu wünschen übrig.

Der Hafen von Sines steht symbolisch für ganz Portugal – ein Land, das gegenwärtig unter der Herrschaft der Troika steht, sich wieder aufrappeln will und ewig mit seiner Randlage tief im Südwesten der EU zu kämpfen hat.

2011 geriet der iberische Staat in schwere See. Die Finanzmärkte verloren den Glauben an das chronisch verschuldete Land mit seinem aufgeblähten Staatssektor. Weil die Zinsen für die Staatsanleihen in die Höhe schossen, musste Portugal unter den Rettungsschirm der Europäer und des Internationalen Währungsfonds schlüpfen. Für den kommenden Juni ist nun die Rückkehr an die Finanzmärkte geplant. Portugal wäre damit nach Irland der zweite Euro-Krisenstaat, der die Regentschaft der Troika dank eines harten Sparprogramms wieder abschütteln kann.

Wie die Zumutungen dieses Sparkurses im Detail aussehen, wird bei einem Besuch bei Pedro Mota Soares in Lissabon deutlich. Der Arbeitsminister rattert die Reformliste herunter, die seit dem Beginn des Troika-Programms vor gut zwei Jahren immer länger geworden ist: Die beiden katholischen Feiertage Allerheiligen und Fronleichnam sowie zwei weitere staatliche Feiertage wurden gestrichen, die Abfindungszahlungen nach Entlassungen von 37 auf zwölf Anrechnungstage pro Arbeitsjahr zusammengekürzt, die Höhe der Arbeitslosenunterstützung gekappt. „Wir werden liefern“, lautet die Botschaft des 39-jährigen Juristen an die Troika. Die Schattenseite: Mota Soares gibt zu, dass die Arbeitslosenquote für portugiesische Verhältnisse immer noch viel zu hoch ist. Immerhin lag die Rate zwischen Juli und September mit 15,6 Prozent um 0,8 Prozentpunkte niedriger als im Vorquartal.

EU-Kommission rechnet für 2014 mit 0,8 Prozent Wachstum

Die Regierung setzt nun darauf, dass die Belebung auf dem Arbeitsmarkt nach dem Ende der Rezession, das der positiven Entwicklung im Tourismus und in der Landwirtschaft zu verdanken ist, demnächst noch weitergeht. „Alle entscheidenden Indikatoren zeigen Richtung Wachstum“, sagt Finanzministerin Maria Luis Albuquerque. Für das kommende Jahr prognostiziert die EU-Kommission ein Wachstum von 0,8 Prozent. Das kann das Land auch gut gebrauchen. Denn Ende des Monats wird im Parlament ein Sparhaushalt für 2014 verabschiedet, der noch drastischer ist als die zurückliegenden Etats, die unter der strengen Aufsicht der Troika zustande kamen. 3,9 Milliarden Euro sollen diesmal eingespart werden, betroffen sind in erster Linie Rentner und Angehörige des öffentlichen Dienstes, die Gehaltseinbußen von bis zu zwölf Prozent hinnehmen sollen.

Die Gewerkschaften reagieren auf den fortgesetzten Sparkurs mit Streiks. Am Mittwoch streikten die Eisenbahner, am Freitag legten Angestellte des öffentlichen Dienstes in Krankenhäusern und Schulen die Arbeit nieder. Nach Gewerkschaftsangaben war die Arbeitsniederlegung einer der größten Streiks der vergangenen Jahre. Armando Farias von der Gewerkschaft CGTP, die der kommunistischen Partei nahesteht, glaubt nicht daran, dass sich die wirtschaftlichen Hoffnungen für das kommende Jahr erfüllen werden. „Woher soll das Wachstum kommen, wenn es keine Binnennachfrage gibt?“, fragt er.

Dass der Protest auf der Straße die Regierung ernsthaft in Bedrängnis bringt, ist allerdings kaum zu erwarten. Oppositionsführer Antonio José Seguro erklärt in seiner Parteizentrale, die das Ambiente vergangener kolonialer Größe verströmt, warum er Protest für keine Lösung hält. „Ich bin ein Mann der Kompromisse“, antwortet der populäre Sozialist auf die Frage, ob es demnächst wieder zu einem Generalstreik kommen könnte.

Umso größer ist die Hoffnung vieler Portugiesen, dass demnächst das Verfassungsgericht Korrekturen am Sparhaushalt vornimmt. Schon mehrfach haben die obersten Richter Sparvorhaben der Regierung gekippt. Dass es auch diesmal wieder so kommen könnte, ahnt auch Finanzministerin Maria Luis Albuquerque: „Wir sind uns dieses Risikos bewusst.“

Das Informationsprogramm in Portugal wurde organisiert von der EU-Kommission.

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