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Protest: Zehntausende demonstrieren gegen "soziale Schieflage"

Bei einer bundesweiten Aktion mit Demonstrationsmärschen unter anderem in Stuttgart, Hannover, Frankfurt und Dortmund haben zehntausende Menschen gegen den Abbau von Sozialleistungen protestiert.

Auf der größten Kundgebung der sogenannten Herbstaktionen der Gewerkschaften in Stuttgart forderte IG-Metall-Chef Berthold Huber einen grundlegenden Kurswechsel in Gesellschaft und Wirtschaft. "Wir wollen keine Republik, in der mächtige Interessengruppen mit ihrem Geld, mit ihrer Macht und mit ihrem Einfluss die Richtlinien der Politik bestimmen", rief er. Zugleich forderte Huber wie auch IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis in Dortmund eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufschwung durch höhere Löhne und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

Zu den vier Kundgebungen in Stuttgart, Nürnberg, Dortmund und Erfurt kamen nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes insgesamt rund 100.000 Menschen. Allein 45.000 versammelten sich auf dem Stuttgarter Schlossplatz, 30.000 kamen nach diesen Angaben in Nürnberg zusammen.

Nicht Aktionärsvermögen, sondern die Interessen und Bedürfnisse der Menschen müssten Maßstab für Politik und wirtschaftliches Handeln sein, sagte Huber. Die Gewerkschaften wollten keine Sparpolitik, die den demokratischen Sozialstaat zerstöre und sich dem Diktat des Profits unterordne. Die Beschäftigten hätten die Wirtschaft durch die schwerste Krise der Nachkriegsgeschichte getragen.

Doch obwohl viele Unternehmen zweistellige Gewinnzuwächse hätten, wollte sie davon nichts abgeben. Es sei aber das gute Recht der Beschäftigten, im Aufschwung auch an den Gewinnen beteiligt zu werden.

Die Bundesregierung dürfe sich nicht vor dem Missbrauch der Leiharbeit wegducken, sagte Huber. In den Betrieben wollten die Gewerkschaften keine Zweiklassengesellschaft und forderten gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Denn die Zahl der Leiharbeiter steige bald auf mehr als eine Million.

Vassiliadis sagte: "Wir wollen keinen XXL-Aufschwung mit XXL-Leiharbeit." Wenn Wirtschaftsminister Rainer Brüderle wirklich etwas für die Einkommen tun wolle, solle er seinen Widerstand gegen Mindestlohn und gleichen Lohn für gleiche Arbeit aufgeben. Brüderle hatte wiederholt erklärt, der Aufschwung gehöre den Beschäftigten, die durch ein kräftiges Lohnplus auch davon profitieren sollten.

Scharf kritisierten die Gewerkschafter die Rente mit 67. Verdi-Chef Frank Bsirske etwa sagte in Dortmund, wenn die Bundesregierung ihre Realitätsverweigerung nicht fortsetzen würde, müsse sie das Vorhaben aufgeben. "Dieses Rentenkürzungsprogramm muss vom Tisch", sagte er Reuters TV.

Die Zahlen der der Beschäftigungssituation Älterer sprächen für sich und belegten, dass der Einstieg in die Rente mit 67 nicht verantwortbar sei. Einem Medienbericht zufolge sind immer mehr Arbeitnehmer zwischen 60 und 64 Jahren arbeitslos.

Das Risiko, kurz vor Eintritt in den Ruhestand den Job zu verlieren, habe sich in den vergangenen drei Jahren stark erhöht, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Statistiken der Bundesagentur für Arbeit. So seien im Oktober 2007 etwa 34.500 der 60- bis 64-Jährigen arbeitslos gewesen. Bis Oktober 2010 sei die Zahl auf rund 145.500 in dieser Altersgruppe gestiegen. (rtr/dpa/dapd)

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