zum Hauptinhalt
Eine Athenerin geht am Syntagma-Platz im Zentrum der Hauptstadt an einem Plakat vorbei, auf dem der bevorstehende Generalstreik angekündigt wird.

© dapd

Protest: Zweitägiger Generalstreik hat in Griechenland begonnen

Aus Protest gegen das neue Sparprogramm hat in Griechenland erneut ein Generalstreik begonnen. Die Kürzungen treffen vor allem Rentner. Am Mittwoch soll das Paket im Parlament beschlossen werden - doch die Regierung muss um ihre Mehrheit bangen.

Aus Protest gegen weitere harte Sparmaßnahmen und Kürzungen von Renten und Gehältern haben am Dienstag umfangreiche Streiks in Griechenland begonnen. Am Vorabend hatte die Regierung nach mehrmonatigen Verhandlungen mit den Geldgebern ihr neues Sparprogramm vorgelegt. Es sieht weitere Einschnitte bei den Bezügen von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst und beim Kindergeld vor.

Am schwersten trifft es die Rentner: Pensionen und Renten sollen zum viertel Mal innerhalb von drei Jahren gekürzt, das Weihnachtsgeld für Rentner und Staatsbedienstete gestrichen werden.

Zu den Streiks haben die beiden größten Gewerkschaftsverbände des privaten (GSEE) und des staatlichen Sektors (ADEDY) aufgerufen. Vor allem im staatlichen Bereich geht nichts. Sämtliche Ministerien und die Schulen werden bestreikt. Auch die Fähren, die U-Bahnen, die Busse und die Straßenbahnen werden lahmgelegt. Im Flugverkehr wird es zu erheblichen Behinderungen kommen, weil die Fluglotsen zwischen 09.00 Uhr und 12.00 Uhr (MEZ) die Arbeit niederlegen. Auch die Taxifahrer haben die Handbremse angezogen. Ärzte behandeln nur Notfälle. Demonstrationen sind für den Nachmittag geplant. Die Streiks werden auch am Mittwoch andauern. Am späten Mittwochabend soll das 13,5 Milliarden Euro Sparpaket vom Parlament gebilligt werden.

Eigentlich wollte sich Vangelis Giotakis im kommenden Frühjahr zur Ruhe setzen. „Aber daraus wird nichts“, weiß der 64-jährige Athener. Er muss zwei Jahre länger arbeiten, bis er 67 ist. „Und dann bekomme ich auch noch weniger Rente als gedacht“, klagt der Bankangestellte.

Wie Giotakis geht es Hunderttausenden Griechen. Länger arbeiten für weniger Rente: So will es das Sparpaket, über das die Abgeordneten des griechischen Parlaments am kommenden Mittwoch abstimmen sollen – ein Schicksalsvotum, von dessen Ausgang die Freigabe der nächsten Rate der Hilfskredite abhängt. Fällt das Paket im Parlament durch, bleibt nicht nur das Geld aus. Dann drohen auch der Sturz der erst im Juni gebildeten Koalitionsregierung des konservativen Premiers Antonis Samaras und der Staatsbankrott.

13,5 Milliarden Euro soll Griechenland in den kommenden beiden Jahren einsparen, so verlangt es die Troika, die Griechenlands Geldgeber vertritt. Und den größten Beitrag sollen ausgerechnet die Rentner leisten – wieder einmal. Dies ist bereits die vierte Rentenkürzung seit Beginn der Krise. „Die Einschnitte machen auf einen Zeitraum von fünf Jahren einen Betrag von 5,7 Milliarden aus, wovon 4,9 Milliarden auf das Jahr 2013 entfallen“, rechnet Finanzminister Giannis Stournaras vor. Alle Renten zwischen 1000 und 1500 Euro werden um fünf Prozent, Bezüge darüber um zehn bis 15 Prozent gekürzt. Bisher gezahlte Zulagen entfallen. Die Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre wird sofort umgesetzt, ohne Übergangsfristen. Davon sind im kommenden und im übernächsten Jahr insgesamt 100 000 Menschen betroffen, die eigentlich in Rente gehen wollten, aber nun länger arbeiten müssen.

Umstritten sind auch die Reformen im Arbeits- und Tarifvertragsrecht, die Griechenland jetzt auf Drängen der Troika umsetzen muss. Die Splitterpartei Demokratische Linke (Dimar), der kleinste Partner der Drei-Parteien-Koalition, will deshalb dem Sparpaket nicht zustimmen. Am Sonntagabend hatte Premier Samaras versucht, in einem 40-minütigen Vier-Augen-Gespräch den Dimar-Vorsitzenden Fotis Kouvelis doch noch umzustimmen – vergeblich. Zwar kann die Regierung das Paket auch ohne die Stimmen der 16 Dimar-Abgeordneten verabschieden. Aber auch in den anderen beiden Fraktionen könnte es Abweichler geben.

Ohnehin kann die Regierung nicht für alle Griechen sprechen. Für Dienstag und Mittwoch haben die Gewerkschaften zu Streiks und Massenprotesten aufgerufen. Bereits am Montag wurden in Athen die U- und Straßenbahnen bestreikt. Auch Taxifahrer, Krankenhausärzte und Journalisten legten die Arbeit nieder. Ihren Höhepunkt sollen die Proteste am Mittwochabend mit einer Demonstration vor dem Parlamentsgebäude erreichen.

Unterdessen wurde im Finanzministerium am Montagmorgen noch fieberhaft an dem Gesetzeswerk gearbeitet, bevor Minister Stournaras die Beschlussvorlage am Nachmittag ins Parlament brachte. Mit Änderungen in letzter Minute hoffte Stournaras, wankelmütige Abgeordnete bei der Stange zu halten. Dabei dürften die meisten Parlamentarier kaum wissen, worüber sie am Mittwoch im Detail abstimmen. Denn die Vorlage umfasst rund 500 Seiten. Selbst Schnellleser würden dafür über acht Stunden brauchen, wobei ein solcher Gesetzestext allerdings genaues Studium erfordert. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false