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Am Freitag ging es in Stuttgart um das für und wider des Kirchenasyls in Deutschland.

© dpa

Protestantentreffen in Stuttgart: Streit ums Kirchenasyl

Beim Kirchentag stand am Freitag die Flüchtlingspolitik im Mittelpunkt - und die Meinungen gingen weit auseinander. Kirchenasyl dürfe nur "ultima ratio" sein, sagt Minister Thomas de Maizière. Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt widerspricht. Und das Publikum ist auf Seiten der Flüchtlinge.

Wer die Bösen auf dem Podium sind, ist an diesem Freitag schnell klar: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und der Göttinger Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig. Sie verteidigen den Rechtsstaat gegen die "übermäßige Inanspruchnahme" des Kirchenasyls, wie es der Minister ausdrückt. Dafür gibt's Pfiffe und Buh-Rufe beim Kirchentag in Stuttgart-Fellbach.

460 Flüchtlinge haben in 251 kirchlichen Einrichtungen Asyl bekommen

460 Flüchtlinge haben derzeit in 251 kirchlichen Einrichtungen Asyl gefunden. Sie kommen aus Afghanistan, Iran, Eritrea, Äthiopien und Syrien. "Kann man angesichts von 400.000 erwarteten Asylanträgen dieses Jahr von ,übermäßiger Inanspruchnahme’ sprechen?", kontert Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und hat den Applaus auf ihrer Seite. Das Kirchenasyl sei wichtig, um Fehler zu "korrigieren", die dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei der Prüfung von Asylanträgen passierten. Es sei dazu da, "in besonders schweren Einzelfällen dem Recht Geltung zu verschaffen". Und, ja, manchmal helfe dann eben nur noch ein "Akt des zivilen Ungehorsams".

Zwischen der evangelischen Kirche und dem Bundesinnenminister hat es wegen des Kirchenasyls heftig geknallt. Ausgerechnet mit Thomas de Maizière, der doch selbst bekennender Protestant ist. "Es ringen zwei Seelen in meiner Brust", gibt der Minister zu. Aber er habe das Gefühl, dass die Kirche das Kirchenasyl instrumentalisiere, um politisch die "Dublin"-Regelung zu bekämpfen. "Das geht zu weit."

Katrin Göring-Eckardt hält den Vorwurf der Instrumentalisierung für "absurd"

"Dublin" bedeutet, dass Flüchtlinge in dem Land einen Asylantrag stellen müssen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben. Die evangelische Kirche hat mehrmals Beschlüsse gegen diesen Grundsatz gefasst. Denn die Standards für die Unterbringung der Flüchtlinge und die Asylverfahren sind sehr unterschiedlich in den europäischen Ländern. Doch der Vorwurf der Instrumentalisierung sei "absurd", sagt Göring-Eckardt. Sie kenne alle 251 Kirchenasyle, da gehe es überall um Einzelschicksale.

Ein Flüchtling aus Eritrea schildert sein Schicksal

Das Besondere an Kirchentagen ist, dass nicht nur über die Betroffenen gesprochen wird, sondern auch mit ihnen. Neben dem Minister sitzt Amaniel Petros Habte (20) aus Eritrea. Sein Vater wurde als angeblicher Regimekritiker getötet, er flüchtete übers Mittelmeer, strandete in Ungarn. Er erzählt, wie ihm Rechtsradikale einen Zahn ausgeschlagen haben und die Polizei sagte: Das ist halt hier so, da können wir auch nichts tun. In Deutschland stellte er noch einmal einen Asylantrag. Eine Kirchengemeinde gewährte ihm Asyl, er lernte Deutsch, jetzt macht er seinen Realschulabschluss. Nach der "Dublin"-Regelung müsste er zurück nach Ungarn. "Was soll man tun, wenn man weiß, wie schlecht die Menschen dort behandelt werden?", fragt eine Hamburger Pastorin. "Soll man sie trotzdem wegschicken?"

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