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Hilferuf. Die syrische Opposition hat in Istanbul einen Nationalrat gebildet, dem nach eigenen Angaben erstmals alle Strömungen angehören. 140 Personen gehören dem Rat an, die Namen der in Syrien lebenden Oppositionellen werden jedoch geheim gehalten.

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Protestbewegung auf dem Vormarsch: Syriens Opposition bildet Nationalrat

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordert eine einheitliche Politik der Staatengemeinschaft gegen Präsident Assad. In Syrien geht das Töten indessen weiter.

Die Forderung nach einem entschiedeneren Eingreifen wird nach dem erfolgreichen Umsturz in Libyen nun für Syrien immer lauter. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte erstmals in scharfem Ton eine „kohärente“ internationale Aktion, um das Morden an der Bevölkerung zu stoppen. „Genug ist genug“, erklärte der Chefdiplomat der Vereinten Nationen, deren Sicherheitsrat sich wegen der Blockade durch Russland und China auch nach sechs Monaten Volksaufstand noch nicht auf eine Verurteilung des Regimes von Bashar al Assad einigen konnte. Ban rief die Staatengemeinschaft auf, nun „mit einer Stimme zu sprechen“.

In Syrien stellte die Opposition ihre Demonstrationen unter das Motto „Freitag des internationalen Schutzes“ und „Wir machen Fortschritte beim Sturz des Regimes“. Auf einem Video aus der Vorstadt von Damaskus ist unter anderem ein Plakat zu sehen mit der Aufschrift „Wir wollen internationalen Schutz, Bashar tötet uns jeden Tag“. Und ständig werden neue Videos online gestellt, die grässlich zu Tode gefolterte Opfer zeigen.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyib Erdogan richtete eine kaum verhüllte Warnung an Syriens engsten Verbündeten Iran, sich vor Ort nicht weiter einzumischen. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, dessen Land nach dem Ersten Weltkrieg Mandatsmacht in Syrien war, hatte am Donnerstag seinen Besuch in Libyen symbolisch den Aufständischen in Syrien gewidmet. Er träume davon, sagte Sarkozy, dass die jungen Leute dort eines Tages die gleichen Chancen auf Demokratie bekämen wie ihre Altersgenossen in Libyen.

Die Sanktionen der Europäischen Union, die auch auf einen Boykott syrischen Öls ausgedehnt wurden, wirken offenbar nur sehr langsam, wenn überhaupt. Grund sind beträchtliche Schlupflöcher in den EU-Bestimmungen, die einzelnen der 27 Mitgliedsstaaten den Ölimport noch bis zum 15. November erlauben. Das gibt Damaskus ausreichend Zeit, andere internationale Abnehmer zu suchen. Darüber hinaus sind europäische Firmen nicht daran gehindert, bereits bestehende Lieferverträge für Industriegüter und Ersatzteile weiterhin zu erfüllen.

Der Screenshot zeigt ein Transparent von den Freitagsdemonstrationen. Zahlreiche verwackelte Internetvideos kursieren von diesen Protestmärschen. Sie sind das einzige Bildmaterial, das dem Westen einen Eindruck davon vermittelt, wie ernst die Lage in Syrien ist.
Der Screenshot zeigt ein Transparent von den Freitagsdemonstrationen. Zahlreiche verwackelte Internetvideos kursieren von diesen Protestmärschen. Sie sind das einzige Bildmaterial, das dem Westen einen Eindruck davon vermittelt, wie ernst die Lage in Syrien ist.

© imago stock&people/Tsp

Unterdessen gründeten die Aufständischen in Istanbul nach libyschem Vorbild einen Syrischen Nationalrat. Ihm gehören 140 Personen an. Die Mehrheit von ihnen lebt in Syrien, ihre Namen bleiben aber aus Sicherheitsgründen vorerst geheim. Das Gremium, das nach eigenen Angaben erstmals alle Oppositionsgruppen vereint und einen eigenen Fernsehsender gründen will, lehnte allerdings jede internationale Intervention oder Militäraktion „kategorisch“ ab. Ziel sei der Aufbau eines demokratischen und pluralistischen Staates.

Wie das in London ansässige „Syrian Observatory for Human Rights“ meldete, feuerten die Sicherheitskräfte wieder in zahlreichen Städten in die Menge, nicht nur im östlichen Deir al Zor, auch in den kurdischen Städten im Norden des Landes, in Hama und Homs sowie den Vororten von Damaskus und in den Küstenstädten. Nach ersten Angaben starben mindestens 19 Demonstranten. Gleichzeitig setzte die Armee ihren Sturm auf die nordsyrische Stadt Idleb fort, aus der offenbar viele fahnenflüchtige Soldaten stammen. Greifkommandos fahnden rund um die Uhr nach abtrünnigen Offizieren und nehmen wahllos Wohngebäude unter Feuer. Nach Angaben der Vereinten Nationen beläuft sich die Zahl der Opfer seit dem 15. März auf mehr als 2600. Mehr als 70 000 Menschen wurden in den vergangenen sechs Monaten verhaftet, von denen noch mindestens 12 000 hinter Gittern sitzen.

In Libyen wird derweil weitergekämpft. Nach der Küstenstadt Sirte haben Kämpfer der neuen libyschen Führung am Freitag eine weitere Hochburg des früheren Machthabers Muammar al Gaddafi angegriffen. Am Abend stimmte die UN-Vollversammlung dafür, den libyschen Sitz bei den Vereinten Nationen an die Rebellen zu übertragen und dem bisherigen Präsidenten Muammar al Gaddafi abzuerkennen. Zudem beschlossen die UN eine Lockerung der Sanktionen. mit AFP

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