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Ein Traum, den viele Italiener teilen.

© AFP

Proteste gegen Berlusconi: Wer, wenn nicht die Frauen?

Silvio Berlusconi bringt immer mehr gesellschaftliche Schichten gegen sich auf. Am Sonntag sind in rund 100 italienischen Städten Massenproteste von Frauen gegen den Regierungschef geplant. Sie wollen gegen das von der Politik und den Medien vermittelte Frauenbild demonstrieren.

Die Plakate sind rosa, süßlich-nett aber soll’s nicht zugehen an diesem Sonntag. In 117 italienischen Städten wollen Frauen demonstrieren; 50 000, heißt es, werden es mindestens. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ lautet ihr Motto, und auch wenn die Demonstration nicht gegen Silvio Berlusconi gerichtet sein will – „lassen wir uns doch nicht permanent von diesem Menschen kolonisieren!“, sagen sie – so geht sie doch aus von „Rubygate“. Von den ebenso aktuellen wie chronischen Frauenaffären des Ministerpräsidenten und von dem Frauenbild, das sich damit als „salonfähig“ übers Land verbreitet.

Zu einem spontanen Organisationskomitee zusammengefunden haben sich linke Gewerkschafterinnen und rechtskonservative Politikerinnen; die Regisseurin Francesca Comencini will mitmachen, weil „das Land sonst unter einer Schneedecke einschläft“. Frauenrechtlerinnen sind dabei und Ordensschwestern, die sich sonst gegen Prostitution und Menschenhandel einsetzen. Die „Würde der Frauen“ wollen sie retten und – so sagt die rechte Parlamentsabgeordnete Flavia Perrina – „gegen das Bild vorgehen, dass weibliche Präsenz in der Politik nur über wilde Partys, Tänze und Sex möglich ist“.

Flavia Perrina befürchtet, dass durch das Bekanntwerden von Berlusconis Privatleben „die öffentliche Moral zusammenbricht unter dem Gewicht des Eindrucks: Così fan tutte – so machen's doch alle Frauen“. Exakt diese Entwicklung aber hat das „Showgirl“ Sara Tommasi soeben bestätigt. Sie steht in Neapel unter dem Verdacht, (bezahlte) Frauen für Berlusconi zusammengeholt zu haben. Die 29-Jährige, eine studierte Wirtschafts- und Finanzexpertin, aber im „Begleitservice“ tätig, war vielfach Gast bei Berlusconis Partys und mindestens einmal im Staatsflugzeug mit dem Regierungschef auf Auslandsbesuch. Im Interview sagt Sara Tommasi jetzt: „Ich bereue gar nichts. Meine Arbeit hat mich mit Persönlichkeiten wie Berlusconi, Gaddafi, Putin zusammengebracht. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Diese ganze Affäre bringt mir Bekanntheit und Jobs, so wie anderen Mädchen auch.“ Dann aber fährt Tommasi fort: „In Italien funktioniert's doch heute so. Alle verkaufen sich. Die Mächtigen benutzen dich wie ein Püppchen, aber wer am Ende in der Scheiße landet, das bist du.“ Sie hätte sich doch, sagt sie heute, von Berlusconi mit dem angebotenen Platz im Europaparlament belohnen lassen sollen.

Vor einer Woche schon hat es eine Großdemonstration gegen Berlusconi gegeben. Umberto Eco, Roberto Saviano, Intellektuelle, Künstler, Schriftsteller hatten nach Mailand geladen, „um die Ehre Italiens zu retten“ und dem Regierungschef ein „Dimettiti!“ zuzurufen: „Tritt zurück!“ Tags zuvor waren die spontanen Gruppen des „violetten Volks“ zu einer Kundgebung vor Berlusconis Party-Villa in Arcore bei Mailand gezogen; die katholischen Bischöfe von Mailand und Umgebung äußern ihr „starkes Unbehagen“ mit einer gerade für Jugendliche schädlichen „Verwirrung der Moral, die einen Unterschied zwischen öffentlich geforderten Werten und privatem Verhalten rechtfertigen will“.

In diesem Moment aber geht Berlusconi zum Gegenangriff über. Irgendwelche „aufgeblasenen Eliten“, sagt er, „die sich selbst ohne Sünde wähnen“, wollten ihn in skandalöser Weise stürzen: „Das ist Unfreiheit im Reinzustand!“ Den „Puritanern und Jakobinern“, die da „eine Republik der Tugend“ predigten, „schwebt eine autoritäre Demokratie vor, die das Gegenteil darstellt zu einem System, das sich auf Freiheit und Toleranz gründet“. In „undemokratischer, außerparlamentarischer Weise“, sagt Berlusconi, wollten seine Kritiker „die Souveränität des Volks zerstören: Aber es gibt Abwehrkörper gegen diesen Fanatismus.“

Und dann zieht Berlusconi noch gegen die „Speerspitze der Revolution“ zu Felde, die Mailänder Staatsanwälte, deren „Spionage meines Privatlebens“ dem italienischen Regierungschef vorkommt „wie jene im kommunistischen Deutschland, wie im Film ,Das Leben der Anderen’“.

Berlusconi legt Wert darauf, dass er diese seine Äußerungen nicht einfach als „unverantwortlichen Wutausbruch“ verstanden wissen will. Deshalb lässt er die Sätze auch von seinem engsten Journalistenfreund und -berater Giuliano Ferrara schreiben, der das Rechtsintellektuellenblatt „il Foglio“ leitet. Ferrara filtert die übelsten Einlassungen Berlusconis aus. Damit kriegt aber noch mehr Gewicht, was stehen bleibt. Berlusconi sagt: Was die Mailänder Staatsanwälte trieben, sei eine „Justiz der Nagelschuhe“: „Diese Justiz will die bürgerlichen Freiheiten und die Rechte der Person umstürzen. Das ist politische Subversion, das ist ein moralischer Staatsstreich.“

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