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Mit Gasmaske und Atatürk-T-Shirt: ein Demonstrant in Istandbul

© afp

Proteste gegen Erdogan: Türkischer Demonstrant stirbt nach Kopfschuss

In der Türkei ist es in der vierten Nacht in Folge zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. In der Stadt Antakya starb ein junger Mann - offenbar durch einen Schuss in den Kopf.

Bei den Protesten gegen die islamisch-konservative Regierung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan ist Medienberichten zufolge ein weiterer Demonstrant getötet worden. Ein Unbekannter haben dem 22-Jährigen in der südtürkischen Stadt Antakya in den Kopf geschossen, meldete der türkische Nachrichtensender NTV in der Nacht zum Dienstag unter Berufung auf den Gouverneur der Provinz Hatay. Später sei der Demonstrant, der Mitglied der Jugendorganisation der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) gewesen sein soll, im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen.

Zuvor hatte der türkische Ärzteverband TTB bereits den Tod eines jungen Mannes in Istanbul bestätigt. Er war den Angaben zufolge ums Leben gekommen, als ein Autofahrer im Stadtteil Ümraniye seinen Wagen in eine Gruppe von Demonstranten steuerte. Seit Beginn der Proteste sind laut TTB bereits mehr als 2300 Menschen verletzt worden.

In Istanbul kam es auch in der vierten Nacht in Folge zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen. Wie Aktivisten und türkische Medien berichteten, ging die Polizei im Stadtteil Besiktas am späten Montagabend erneut mit Tränengas gegen Erdogan-Gegner vor. Dabei soll es wieder Verletzte gegeben haben. Die Auseinandersetzungen waren aber nicht mehr so schwer wie in der Nacht zuvor. Auf dem zentralen Taksim-Platz hielten Regierungsgegner weiter die Stellung.

Am Montag lieferten sich regierungsfeindliche Demonstranten auch in anderen türkischen Städten Straßenkämpfe mit der Polizei. Schwere Zusammenstöße gab es erneut in Ankara rund um den zentralen Kizilay-Platz. Die Proteste hatten sich an der gewaltsamen Räumung eines Protestlagers entzündet, mit dem die Zerstörung des Gezi-Parks am zentralen Taksim-Platz in Istanbul verhindert werden sollte. Inzwischen richten sie sich vor allem gegen einen als immer autoritärer empfundenen Kurs Erdogans.

Angesichts der schweren Gewalt forderte der Wortführer der parlamentarischen Opposition das Eingreifen von Staatspräsident Abdullah Gül. Der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu, sagte nach einem Treffen mit dem Staatschef am Montag in Ankara, er habe Gül auf seine verfassungsmäßigen Amtsvollmachten angesprochen.

Ungeachtet der anhaltenden Proteste brach Erdogan am Montag zu einer Nordafrika-Reise auf. Zuvor hatte er seine Drohungen gegen die Demonstranten verschärft. Der türkische Geheimdienst sei inländischen und ausländischen Gruppen auf der Spur, mit denen noch abgerechnet werde, sagte er.

Die Protestwelle gegen ihn und seine Regierung sei von Extremisten organisiert. Vergleiche mit den Volksaufständen des Arabischen Frühlings wies Erdogan zurück. „Wir haben schon einen Frühling in der Türkei. Einige versuchen aber, diesen in einen Winter zu verwandeln.

Sie werden keinen Erfolg haben.“ Seine Partei habe bei drei Parlamentswahlen wachsende Zustimmung erfahren und das Volk hinter sich. Dagegen erklärte Staatspräsident Gül: „Demokratie bedeutet nicht allein, Wahlen zu haben.“ Unterschiedliche Meinungen müssten geäußert werden, aber mit gegenseitigem Respekt. „Wir leben in einer offenen Gesellschaft.“ Am Wochenende hatte Gül bereits interveniert, um den wegen Brutalität international kritisierten Polizeieinsatz auf dem Taksim-Platz zu beenden. (dpa)

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