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Es geht nicht nur um das Schmähvideo - in Pakistan entlädt sich ein großer Hass auf die USA.

© dapd

Proteste in Pakistan: Superfeind Amerika

Die Demonstrationen in Pakistan richten sich gegen das Mohammed-Schmähvideo. Doch dass ein Funke genügt, um solche Ausschreitungen hervorzurufen, zeigt: Der Grund reicht viel tiefer. In Pakistan entlädt sich ein gewaltiger Hass auf die USA: Die Menschen wollen Rache.

Es wirkte wie ein verzweifelter Versuch, einen neuen Gewaltausbruch zu verhindern. Per Fernsehwerbung wandten sich US-Präsident Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton an Pakistans Bürger. Amerika habe mit dem Schmähvideo „absolut nichts“ zu tun, versicherte Clinton. „Wir lehnen den Inhalt und die Botschaft absolut ab.“ Gleich in sieben Sendern hatte Washington die Spots geschaltet und dafür 70 000 Dollar gezahlt.

Doch die Proteste in der islamischen Welt ebben nicht ab. Nach den Freitagsgebeten kam es erneut in vielen Ländern zu Demonstrationen. Vor allem in Pakistan lagen die Nerven blank. Die Hauptstadt Islamabad glich einer Festung. Dabei hatte die Regierung selbst zum Tag des „Ausdrucks der Liebe für den Propheten“ aufgerufen.

Premierminister Raja Pervez Ashraf verurteilte den Film als „Angriff auf 1,5 Milliarden Muslime“ und bestellte den US-Botschafter ein. Die von der Bhutto-Partei PPP geführte Regierung hoffte offenbar, so die Wut zu kanalisieren, die Islamisten zu besänftigen und sich bei religiösen Wählern einzuschmeicheln.

Doch es war ein Spiel mit dem Feuer. Die Angst war groß, dass die Lage eskaliert und außer Kontrolle gerät. Die meisten Botschaften blieben wie die deutsche geschlossen. Bei Straßenschlachten im Botschaftsviertel wurden Dutzende verletzt. Andernorts setzten Demonstranten Kinos, Tankstellen, Bankfilialen und Fast-Food-Restaurants in Brand. In Peschawar wurde ein Mann erschossen.

Bildergalerie: Muslime protestieren gegen Schmähfilm

Das Ausmaß der Proteste verstört. Zumal der Film, der den Propheten Mohammed als Kinderschänder zeigt, ein jämmerliches Machwerk ist. Doch er ist auch eine Steilvorlage für Hassprediger, die daraus politisches Kapital schlagen, um gegen den Westen zu hetzen – und um den Mob gekonnt zu dirigieren, nach Belieben aufzustacheln oder zurückzupfeifen. Oft lösen sich Proteste wie von Zauberhand auf, wenn die Rädelsführer zum Abmarsch blasen.

Doch der eigentliche Konflikt geht tiefer. Was sich hier entlädt, ist auch die Wut auf die Politik der Supermacht Amerika. Seit Jahren zeigen Umfragen, dass der Anti-Amerikanismus wächst. Zeitgleich erlebt Pakistan eine Islamisierung. Nun wird die „Generation 9/11“ erwachsen, die mit dem Anti-Terror-Krieg aufwuchs. Der Krieg hat – ob in Afghanistan, Pakistan oder im Irak – tiefe Wunden geschlagen. Über 100 000 Muslime wurden getötet, schreibt der indische Geheimdienstexperte A.S. Dulat. „Es überrascht nicht, dass viele Muslime dies als einen Krieg gegen den Islam sehen.“

Fast jeden Tag bombardieren die Amerikaner Pakistans Grenzgebiete mit Drohnen, in Afghanistan werden immer wieder Zivilisten getötet. Weiter verschärft werden Wut und Frust durch die wirtschaftliche Misere. Es gibt keine Jobs. Pakistan liegt ebenso wie Afghanistan wirtschaftlich am Boden. Ganze Fabriken machen dicht, weil Stromausfälle von 20 Stunden Alltag sind. Ein Funke genügt, und die angestaute Wut auf die Regierung, die als Marionette der USA gilt, entlädt sich.

Die Folgen dieses Krieges, der nun über ein Jahrzehnt dauert, sind noch nicht absehbar. Doch er hat den Westen und die islamische Welt nicht nähergebracht, sondern entfremdet. Die britische Militärberaterin Emma Sky warnt bereits, dass der Westen zunächst verstehen müsse, wie Muslime, für die dieser Krieg zum Alltag gehört, Rache suchten. Der Inder Dulat meint mit Blick auf die Aufstände in der arabischen Welt: „Der Geist ist aus der Flasche.“

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