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Proteste in Syrien: "Wir wollen deinen Sturz, Bashar"

In Syrien finden die Protestmärsche gegen Präsident Bashar al-Assad immer stärkeren Zulauf. In allen Regionen des Landes kam es in den letzten Tagen zu Demonstrationen gegen das Regime.

Mehr als 200 Menschen verloren laut Amnesty International bisher ihr Leben. Am Dienstag in den frühen Morgenstunden eröffneten Sicherheitskräfte in der Stadt Homs erneut das Feuer – diesmal auf ein Protestcamp, in dem mehrere tausend Menschen die Nacht auf dem Al-Saa-Platz im Zentrum verbracht hatten. Auf einem Handyvideo sind Schüsse aus automatischen Waffen zu hören sowie Rufe von Menschen, die den Sturz des Regimes fordern. Wie viele Tote und Verletzte es bei dem brutalen Vorgehen der Uniformierten gab, ist unklar

Augenzeugen vor Ort sprechen von mindestens vier Toten, andere Quellen von zehn Opfern. Am Montagabend hatten sich rund 20.000 Menschen zu einer Sitzblockade auf dem Al-Saa-Platz versammelt. „Der Protest wird so lange weitergehen, bis unsere Forderungen erfüllt sind“, erklärte eine Demonstrantin gegenüber AFP. Man habe den Platz nach dem Vorbild Kairos in Tahrir-Platz umbenannt. „Dieses despotische Regime muss weg. Wir haben elf Jahre auf Reformen gewartet“, fügte sie hinzu. Anwohner versorgten die Menge mit Matratzen, Wasser und Essen.

Inzwischen ist die Stadt Homs komplett von der Außenwelt abgeriegelt. Alle Telefon- und Internetverbindungen sind unterbrochen, alle Zufahrtswege blockiert. In den Straßen herrschte den ganzen Tag über gespenstische Ruhe. Alle Geschäfte, Banken und Schulen in der mit 700.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Syriens waren geschlossen. Schon zwei Tage zuvor waren in Homs bei einem ähnlichen Schusswaffeneinsatz mindestens 20 Demonstranten getötet worden, die am Montag zu Grabe getragen wurden. „Von Gasse zu Gasse, von Haus zu Haus, wir wollen deinen Sturz, Bashar“, skandierte der Trauerzug und rief „Freiheit, Freiheit“.

Auch in anderen Städten wie Dara und Aleppo, den Küstenorten Latakia und Banias sowie den Außenbezirken von Damaskus gingen die Menschen am Wochenende auf die Straßen, enttäuscht von den vagen politischen Zugeständnissen, die das Regime bisher verkündet hat. Unruhen gab es auch in der kurdischen Stadt Qamishli im Norden des Landes sowie in der von Druzen bewohnten Stadt Suwayda. Zuvor hatte Präsident Bashar al-Assad in einer Fernsehansprache zugesagt, der seit 48 Jahren geltende Ausnahmezustand werde „bis Ende nächster Woche“ aufgehoben. Zudem werde er Vorschläge prüfen, die Arbeitslosigkeit zu senken, die „alles zerfressende“ Korruption zu bekämpfen und politische Parteien zuzulassen. Konkrete Zusagen über weitere Reformschritte jedoch machte er nicht.

Innenminister Mohammed Ibrahim al-Shaar dagegen warf den Demonstranten vor, einem „bewaffneten Aufstand“ anzuzetteln, und erließ am Dienstag für ganz Syrien ein absolutes  Demonstrationsverbot. Islamische Radikale würden Soldaten und Polizisten gezielt töten, hieß es in einer scharfen Erklärung des Ministeriums. „Solche Terrortaten werden nicht toleriert.” Als Beleg zeigte das Staatsfernsehen eine Krankenstation in Homs, auf der angeblich mehrere Polizisten mit Schusswunden behandelt werden. Eine unabhängige Überprüfung dieser Angaben ist unmöglich, da seit Beginn der Unruhen vor vier Wochen keine Visa an ausländische Journalisten mehr erteilt werden. Eine Hauptquelle von Informationen sind daher Amateurvideos von Demonstrationen, die Regimekritiker per Satellitenverbindungen ins Netz stellen. Auf einem Video sind zudem reihenweise junge Männer zu sehen, die nach ihrer Verhaftung von der Staatssicherheit übel zugerichtet wurden. Viele haben offene Wunden im Gesicht und blutunterlaufene Augen sowie Spuren schwerer Misshandlungen an Rücken und Beinen.

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