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Ob bei tätlicher Sterbehilfe wirklich ein „ausdrücklicher und ernstlicher“ Todeswunsch geäußert wurde, muss ein Gericht genau prüfen.

© pa/dpa

Prozess: Bundesgerichtshof: Fälle von Sterbehilfe genau prüfen

Das Bundesgerichtshof hat einen Fall an das Landgericht zurückverwiesen, in dem nicht ersichtlich ist, ob ein Mann seine Frau auf Ihren Wunsch hin erschossen oder ermordet hat. Die Vorinstanz habe nicht ausreichend geprüft, ob der Wunsch der Frau zu sterben tatsächlich geäußert wurde.

Richter müssen vermeintliche Sterbehilfefälle besonders genau unter die Lupe nehmen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag klargestellt und einen Fall an das Landgericht zurückverwiesen, bei dem ein Ehemann seine Frau auf deren angeblichen Wunsch hin erschossen hatte. Tätliche Sterbehilfe ist in Deutschland verboten und kann als „Tötung auf Verlangen“ mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Entstammt der Todeswunsch zudem nur einer „Augenblicksstimmung“ ohne „tiefere Reflexion des Tatopfers“, kann der Grund für die mildere Strafe entfallen, so der BGH.

Die Vorinstanz habe nicht ausreichend geprüft, ob der Wunsch der Frau zu sterben tatsächlich „ausdrücklich und ernstlich“ geäußert wurde, wie es der Straftatbestand fordert, heißt es in dem Urteil. Im Gegenteil lägen „Umstände vor, die gegen ein ernstliches Tötungsverlangen sprachen“. Die Deutsche Hospiz-Stiftung begrüßte den Spruch und betonte die Notwendigkeit, vorgebliche Sterbehilfefälle auf Motive zu erforschen und differenziert zu urteilen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) solle der „Sandkastendiskussion“ um eine Liberalisierung der Tötung auf Verlangen zugunsten leichterer Sterbehilfe Einhalt gebieten.

Die Umstände des Falles blieben bis zum Schluss rätselhaft. Zunächst hatten die Ermittler an ein Verbrechen geglaubt, als sie im Juni 2009 im Haus des Ehepaars in Oyten bei Bremen Spuren sicherten. Die 53-jährige Frau lag mit einem Kopschuss in ihrem Blut. Daneben der Mann, damals 74 Jahre alt, mit einem Schuss in der Brust. Auch der Hund des Paares lag erschossen im Haus. Der Mann überlebte. Die Staatsanwaltschaft erhob Mordanklage, der Unternehmer habe sich in einer verzweifelten finanziellen Lage befunden. Vor dem Landgericht Verden ließ der Geschäftsmann über seinen Anwalt erklären, seine Frau habe über unerträgliche Unterleibsschmerzen geklagt, sie habe einen Tumor und wolle aus dem Leben scheiden. Eine Einlassung, die aus Sicht der damaligen Richter nicht zu widerlegen war. Deshalb erkannten sie nach dem Grundsatz in dubio pro reo auf eine Tötung auf Verlangen und verhängten zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Die Tochter des Opfers ging als Nebenklägerin in die Revision.

Bei der Obduktion der Frau stellte sich heraus, dass sie tatsächlich an einem kiloschweren Gebärmuttertumor litt. Er war allerdings gutartig und hätte operiert werden können. Ähnlich vorschnell wie die tödliche Reaktion des Ehemanns kam aus Sicht der Bundesrichter das milde Urteil des Landgerichts: Der Angeklagte habe sich schließlich erst am vierten Tag der Hauptverhandlung mit dem Todeswunsch seiner Frau gerechtfertigt. Auch hätten Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren zur Tat im späteren Urteil keinen Niederschlag gefunden. Auf dieser Grundlage, kritisierte der BGH, könne er in der Revision nicht prüfen, ob die Landesrichter den In-dubio-Grundsatz zutreffend angewendet hätten.

Noch andere Umstände ließen die Bundesrichter aufmerken. So hatten am Morgen nach der Tatnacht Handwerker die Leiche gefunden, die für Malerarbeiten bestellt waren. Die Frau hatte zudem konkrete Pläne für die Sommermonate geschmiedet und bis ein Uhr nachts vor dem Computer gesessen, bevor ihr Mann sie erschoss.

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