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Prozess-Eklat: Nach Überfall auf Halberstädter Schauspieler: Manipuliert die Staatsanwaltschaft?

Weil Beweismittel von der Staatsanwaltschaft erst jetzt nachgereicht wurden, setzte der Richter das Verfahren vorübergehend aus. Die Nebenklage spricht von einer "Verhöhnung der Opfer".

Der Prozess um den Überfall auf eine Halberstädter Theatergruppe im Juni vergangenen Jahres wurde am Mittwoch vorübergehend ausgesetzt. Zu Beginn der Verhandlung erklärte der Vorsitzende Richter, dass die Staatsanwaltschaft erst jetzt einen Ordner mit Ermittlungsakten nachgereicht habe. Er enthält unter anderem Zeugenaussagen, Protokolle von Lichtbildvorlagen sowie die Auswertung von Blut- und Speichelproben und Handydaten. Die Staatsanwaltschaft habe dem Gericht die Unterlagen erst am 7. Januar übergeben, nachdem sie sie selbst am 20. Dezember von der Polizei erhalten habe.

„Es ist eine Verhöhnung der Opfer des Neonaziangriffs und der Justiz, wenn die Polizei nicht unmittelbar nach der Tat, sondern auch noch im laufenden Prozess offensichtlich eine vollständige Aufklärung der Tatumstände unmöglich macht, indem sie dem Gericht wesentliche Ermittlungsergebnisse nicht zur Verfügung stellt“, sagte die Vertreterin der Nebenklage, Frauke Steuber.

Die vermeintliche Hauptschuld der Polizei, die bereits wegen mehrerer Einsatzpannen in der Tatnacht in die Kritik geraten war, weist Rüdiger Erben, Staatssekretär im Magdeburger Innenministerium, in diesem Fall jedoch zurück. „Das geht auf strikte Weisung der Staatsanwaltschaft zurück, die schließlich Herrin des Ermittlungsverfahrens ist.“

Der Sprecher der Halberstädter Staatsanwaltschaft, Helmut Windweh, spielt die Angelegenheit herunter. „Wenn in einem solchen Ordner Dinge drin sind, die wir noch brauchen, dann behalten wir ihn natürlich“, sagte er und verwies darauf, dass derzeit noch Ermittlungen gegen vier weitere Neonazis aus Halberstadt sowie einen aus Aschersleben laufen. Der nachgereichte Ordner enthalte zwar auch objektive Beweismittel für den Prozess gegen die vier mutmaßlichen Täter, die bereits vor Gericht stehen. Diese Beweismittel würden den Prozess aber nicht entscheidend beeinflussen.

Windweh verwies zudem darauf, dass bereits die von der Staatsanwaltschaft zuvor vorgelegten Akten einen hinreichenden Tatverdacht gegen die vier Neonazis ergeben hätten, der zum Eröffnungsbeschluss für das Hauptverfahren geführt habe. „Dass das Gericht nach dem bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung einen dringenden Tatverdacht gegen drei der vier Angeklagten nunmehr verneint, liegt zum größten Teil an den verschwommenen Zeugenaussagen der Geschädigten“, so Windweh. Tatsächlich hat das Gericht die Haftbefehle gegen drei der vier Angeklagten mangels dringenden Tatverdachts aufgehoben. Alle drei haben im Prozessverlauf die Aussage verweigert. Der Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Haupttäter, der ein Teilgeständnis abgelegt hatte, wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Eberhard Löblich[Magdeburg]

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