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Prozess gegen Karadzic: "Kräfte des Nationalismus, des Hasses und der Angst"

Karadzic wird für den Massenmord an Muslimen verantwortlich gemacht. Auch am zweiten Tag weigert er sich, vor Gericht zu erscheinen. Die Anklage wurde dennoch verlesen.

Auch am zweiten Tag des Völkermord-Prozesses hat der Angeklagte Radovan Karad?i? das Verfahren boykottiert. Wie schon am Montag erschien der ehemalige bosnische Serbenführer nicht im Gerichtssaal in Den Haag. Er verlangt für sich eine längere Vorbereitungszeit für das Verfahren.

Ungeachtet dessen ist der Prozess aber fortgesetzt worden. Richter O-Gon Kwon warnte Karad?i? erneut, dass er das Recht verliert, sich selbst zu verteidigen, wenn er nicht demnächst wieder an dem Verfahren teilnimmt.  

Sollte er am kommenden Montag nicht zum dritten Verhandlungstag erscheinen, bleibe dem Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien keine andere Wahl als einen Pflichtverteidiger für den Angeklagten einzusetzen. Grund dafür ist die Rechtslage, die verlangt, dass zwar der Angeklagte selbst nicht anwesend sein muss, aber seine Verteidigung. Karad?i? hatte bislang darauf bestanden, sich selbst vor Gericht zu vertreten.

Anschließend begann die Staatsanwaltschaft mit Erläuterungen zur Anklage. Mehr als eine Million Seiten umfasst das Beweismaterial, das Chefankläger Serge Brammertz zusammengetragen hat, die Anklageschrift ist 40 Seiten lang.

Der Angeklagte sei "ein Mann, der die Kräfte des Nationalismus, des Hasses und der Angst entfachte, um seine Vision eines ethnisch geteilten Bosnien zu verwirklichen", sagte der aus den USA stammende Staatsanwalt Alan Tieger. Die sogenannten ethnischen Säuberungen während des Bosnienkrieges seien nicht dessen Folgen, sondern das von Karad?i? und seinen Komplizen in der bosnisch-serbischen Führung angestrebte Ziel der bewaffneten Gewalt gewesen. Dem Krieg fielen von 1992 bis 1995 etwa 100.000 Menschen zum Opfer.

Mit Blick auf die Belagerung von Sarajevo, die 1992 begann und bei der schätzungsweise 10.000 Menschen getötet wurden, verwies die Anklage auf frühere Äußerungen Karad?i?. "Der Oberste Befehlshaber erklärte bereits im Oktober 1991, was auf Sarajevo zukommen sollte: 'Sarajevo wird ein schwarzer Kessel sein, in dem Muslime sterben werden. Sie werden verschwinden, diese Menschen werden von der Erdoberfläche verschwinden'", zitierte Tieger den Angeklagten. Karad?i? habe seine Streitkräfte angewiesen, alles daran zu setzen, um einen "mono-ethnischen Staat aus einem multi-ethnischen Land" zu schneiden. Dabei sei er direkt verantwortlich für die Verfolgung und Ermordung bosnischer Muslime gewesen, erklärte Tieger.

Karad?i? droht eine lebenslange Haftstrafe. Der Prozess wird voraussichtlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Allein die Beweisaufnahme könnte bereits ein Jahr dauern.  

Der ehemalige bosnische Serbenführer ist wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen während des Bosnien-Kriegs von 1992 bis 1995 angeklagt. Darunter ist auch das Massaker von Srebrenica, bei dem 1995 etwa 8000 muslimische Männer und Jungen getötet wurden. Seine frühere Komplizin Biljana Plavši?, die bereits 2003 für die Kriegsverbrechen verurteilt worden war, ist am Dienstag vorzeitig aus der Haft entlassen worden.

Karad?i? bestreitet alle Anklagevorwürfe. Nach elfjähriger Flucht war er 2008 verhaftet worden. Während dieser Zeit lebte er als Heilpraktiker unter falschem Namen in der serbischen Hauptstadt Belgrad.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters

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