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Einer der beiden Hauptangeklagten sitzt im Stuttgarter Oberlandesgericht zu Beginn eines Prozesses gegen Betreiber des Neonazi-Portals «Altermedia» im Gerichtsaal.

© Marijan Murat/dpa

Prozess in Stuttgart: Haftstrafe für Macher des verbotenen Neonazi-Portals „Altermedia“

Braune Hetze, Hass auf Ausländer, Morddrohungen wurden bis vor zwei Jahren im Internet auf der Neoanazi-Plattform „Altermedia“ verbreitet. Jetzt wurden die Macher in Stuttgart verurteilt.

Über Jahre haben sie im Internet Hass gegen Ausländer, Flüchtlinge und Juden geschürt, Nazi-Parolen verbreitet und den Holocaust geleugnet - am Donnerstag wurden vier Macher der seit zwei Jahren verbotenen Neonazi-Seite „Altermedia“ unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt. Gegen den Kopf hinter der rechtsextremistischen Plattform, einen 29 Jahre alten Informatiker aus dem Schwarzwald, wurde wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Drei mitangeklagte, ältere Frauen kamen mit Bewährungsstrafen zwischen acht Monaten und zwei Jahren davon.

Die Taten machten ihn „sprachlos“, sagte der Vorsitzende Richter des 5. Strafsenats, Herbert Anderer, bei der Urteilsbegründung. Er stehe dem Ganzen nach wie vor „ratlos“ gegenüber. Der Prozess habe nicht klären können, was die Angeklagten umgetrieben habe. „Haben diese Menschen gar nichts gelernt? Haben sie gar nichts verstanden?“

Dass es „Altermedia“ nicht mehr gebe, sei die ganze Mühe des Verfahrens auf jeden Fall wert gewesen, sagte Bundesanwältin Alexandra Geilhorn. Bis zur Abschaltung durch Berlin sei es das führende rechtsextremistische Internetportal im deutschsprachigen Raum gewesen. Bisher gebe es keinen so wirkungsvollen Nachfolger. Frühere Betreiber der Plattform waren schon 2011 in Rostock mit mehr als zwei Jahren Haft belegt worden.

Nazi-Parolen verbreitet

Obwohl die Szene auf andere Kanäle im Internet abgewandert und immer schwerer zu greifen sei, zeige der Protest gegen die Abschaltung der linksextremistischen Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ 2017, dass solche Portale für die Massenwirkung noch unerlässlich seien. „Indymedia“ war nach den Krawallen beim G20-Gipfel in Hamburg vom Bundesinnenministerium verboten worden. Diese Seite sei die bedeutendste Plattform für gewaltbereite Linksextremisten in Deutschland, hieß es zur Begründung.

Auf „Altermedia“ wurde massenhaft nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet, befand das Gericht. Hass gegen in Deutschland lebende Ausländer, Flüchtlinge oder Juden wurde geschürt. 209 000 Beiträge wurden eingestellt. Für gewöhnlich grüßten sich die Nutzer der Plattform mit Nazi-Parolen. 30 Fälle mit besonders heftigen Beschimpfungen, etliche Vergleiche mit Ungeziefer, Morddrohungen oder Verleumdungen hatten die Bundesanwälte für den Stuttgarter Prozess herausgefiltert. Alles Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt seien, so Geilhorn. Richter Anderer zählte beim Urteil einige davon auf - und schloss mit „jedes Wort erübrigt sich“.

Schlüsselfiguren waren laut Gericht der arbeitslose Informatiker aus dem Schwarzwald sowie eine 48 Jahre alte Call-Center-Mitarbeiterin aus Nordrhein-Westfalen, die ein umfassendes Geständnis ablegte und eine Strafe an der Bewährungsgrenze von zwei Jahren bekam. Das Verfahren gegen einen 54-Jährigen, der in Lloret de Mar (Spanien) lebt, wurde wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit abgetrennt. Zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und drei Monaten beziehungsweise acht Monaten wurden eine in Nürnberg geborene 63-Jährige sowie eine 61-Jährige aus Berlin verurteilt. Beide moderierten auf der Seite über Jahre Foren wie „Volk und Rasse“ oder „Heimat und Hof“.  (dpa)

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