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Stephan Ernst erscheint zum Prozess gegen ihn. 

© Thomas Lohnes / various sources / AFP

Prozessauftakt im Fall Lübcke: „Ein feiges Mordverbrechen aus übelsten Beweggründen“

In Frankfurt hat der Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke begonnen. Dessen Familie will "alle Umstände zur Mordtat erfahren".

Im Prozess um den Mord an Walter Lübcke haben die Verteidiger des Hauptangeklagten Stephan Ernst (46) schon kurz nach Beginn der Verhandlung eine Aussetzung der Verhandlung gefordert. 

Zudem stellten sie am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter.

Anwalt Frank Hannig begründete den Antrag auf Aussetzung der Verhandlung unter anderem damit, dass der Gesundheitsschutz wegen der Corona-Pandemie nicht gewährleistet und der Zugang der Öffentlichkeit zu dem Prozess stark eingeschränkt sei. 

Schließlich wurde die Anklage aber doch noch verlesen. Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel drückt merklich aufs Tempo: Einen Teil der Anträge der Verteidigung lehnte er ab, über den Befangenheitsantrag werde man zu „gegebener Zeit entscheiden“, eine Entscheidung über die Aussetzung der Verhandlung werde zurückgestellt. Stephan Ernst (46) ist des Mordes angeklagt, Markus H. (44) der Beihilfe zum Mord.

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Die Bundesanwaltschaft sieht eine von "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene völkisch-nationalistische Grundhaltung" als ausschlaggebend für die Tat.

Familie Lübcke als Nebenklägerin

Beide Angeklagte haben in der Vergangenheit an rechtsextremistischen Kundgebungen und Demonstrationen teilgenommen. Ernst ist dabei mit Gewaltdelikten bis in die 90er Jahre zurück bei der Justiz registriert. 

Lübcke soll seit seit einer Bürgerversammlung im Oktober 2015 in Lohfelden zur Zielscheibe rechtsextremen Hasses geworden sein. Damals warb er für die Eröffnung einer Flüchtlingsunterkunft und wehrte sich gegen störende Zwischenrufe.

Holger Matt (Mitte, links), Anwalt der Familie Lübcke, und Dirk Metz (hinten, 2.v.l), Sprecher der Familie Lübcke, am Dienstag. 
Holger Matt (Mitte, links), Anwalt der Familie Lübcke, und Dirk Metz (hinten, 2.v.l), Sprecher der Familie Lübcke, am Dienstag. 

© Sebastian Kramer/dpa

Der Anwalt der Familie, Holger Matt, sagte vor Beginn der Verhandlung, die Nebenklage wolle alle Umstände der Mordtat erfahren „Nach meiner Überzeugung handelt es sich um ein kaltblütig geplantes, heimtückisch begangenes, feiges Mordverbrechen aus übelsten Beweggründen“, sagte Matt. „Wir werden als Nebenkläger alles Mögliche zur Aufklärung beitragen.“ 

Die Familie folgte dann den Ausführungen der Verteidiger über den angeblich nicht möglichen fairen Prozess nahezu reglos. 

Für die Angehörigen sei es „unerträglich“ gewesen, den zweieinhalbstündigen Auftakt der Hauptverhandlung anzuhören, sagte Matt anschließend. „Hier wird im Teich rechtsstaatlicher Prinzipien gefischt, ohne dass eine Verletzung dieser Prinzipien erkennbar ist.“

Durch DNA-Fund überführt

Ernst war zwei Wochen nach dem Mord an Lübcke festgenommen worden, der Fund von Hautteilen mit seiner DNA auf der Kleidung des Toten überführte ihn. 

Zunächst gestand er, Lübcke erschossen zu haben und führte die Polizisten zu einem Waffenversteck mit acht Schusswaffen, einschließlich der Mordwaffe. Er belastete Markus H.

Geständnis widerrufen 

Nach dem Wechsel seines Rechtsanwalts widerrief er das Geständnis und beschuldigte Markus H., bei der Tat dabei gewesen zu sein und mit seiner, Ernsts Waffe versehentlich einen Schuss auf den Regierungspräsidenten abgegeben zu haben.

Stephan Ernst muss sich darüber hinaus im Fall eines 2016 in Lohfelden bei Kassel niedergestochenen Flüchtlings verantworten. Hier wird ihm versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Auch der Betroffene dieses Attentats nimmt als Nebenkläger an dem Prozess teil. Das Gericht hat bis Ende Oktober 32 Verhandlungstage vorgesehen.

Großer Andrang zum Prozessauftakt

Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel und vier weitere Richter sowie zwei Ergänzungsrichter leiten das Verfahren. Die beiden Angeklagten werden jeweils von zwei Verteidigern begleitet. 

Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Zahl der freien Plätze im Saal stark beschränkt. Im Verhandlungssaal gibt es 18 Plätze für die Öffentlichkeit und 19 auf der Empore für Journalisten.

Bereits Stunden vor dem Beginn des Prozesses bildeten sich vor dem Gericht lange Warteschlangen. Um 6 Uhr am Morgen und damit vier Stunden vor dem geplanten Prozessbeginn warteten schon etwa 30 Journalisten und mehr als ein Dutzend Zuschauer vor dem Gerichtsgebäude auf den Einlass.

Die ersten Menschen waren nach eigenen Angaben seit der Nacht vor Ort. Wegen der Corona-Pandemie wurden die Sitzplätze im Verhandlungssaal reduziert - für Zuschauer stehen 18 Plätze zur Verfügung, für Journalisten 19. (epd/AFP)

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