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Politik: Putin mit einer Botschaft an die Welt

Letzte Rede zur Lage der Nation

Moskau - Den eigentlichen Hammer ließ Wladimir Putin, der am Donnerstag im Marmorsaal des Kremls seine letzte Rede zur Lage der Nation vortrug, zwölf Minuten vor Schluss auf die Versammlung niedersausen: Russland werde die Erfüllung des Abkommens zur Begrenzung der konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE) aussetzen, kündigte der russische Präsident an.

Mit dem 1990 noch von der Nato und dem Warschauer Pakt ausgehandelten KSE-Vertrag, argumentierte Putin, habe Moskau sich faktisch Begrenzungen für die Stationierung seiner Truppen im eigenen Land auferlegt und diese sogar während des Tschetschenienkriegs erfüllt. Die Nato dagegen habe das Abkommen im Gegensatz zu Russland nicht einmal ratifiziert, das westliche Bündnis habe sich zudem bis an die Grenzen Russland ausgedehnt. Zuvor habe die Nato anderslautende Versprechungen gegenüber dem letzten sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow und Putins Vorgänger Boris Jelzin abgegeben. Jetzt würden die USA sogar planen, Teile ihrer Raketenabwehr in den neuen Nato-Mitgliedstaaten zu stationieren, kritisierte Putin.

Schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar war Putin als selbstbewusster Chef einer außenpolitisch wieder erstarkten Großmacht aufgetreten. Am Donnerstag in Moskau gefiel er sich auch als Präsident eines Landes, das innenpolitisch und wirtschaftlich zu Stabilität und wirtschaftlichem Aufschwung zurückgefunden hat. Putin kündigte eine Kulturoffensive zur Förderung von russischer Sprache und Literatur weltweit an. „Es ist extrem wichtig, den Einfluss der russischen Kultur zu stärken“, sagte er.

Putins Rede zur Lage der Nation kann durchaus auch wie sein politisches Testament gelesen werden. Mehr als 20-mal gebrauchte Putin, der seine schwarz-weiß gestreifte Lieblingskrawatte trug, in der über einstündigen Rede das Wort „Effizienz“. Der Präsident erinnerte dabei in Gestus und Wortwahl an einen Konzernchef, der gerade vom Vorstand in den Aufsichtsrat wechselt. Die wichtigste Aufgabe für die nächsten Jahre sei die Diversifizierung der Wirtschaft, sagte Putin.

Vorrang räumte Putin in seiner Rede den Hochtechnologien und der Verbesserung der Infrastruktur ein. Vor allem die Struktur der Stromwirtschaft soll nach den Worten Putins geändert werden. Für die Stromerzeugung müsse verstärkt auf Atomkraft sowie auf Wasser- und Kohlekraftwerke zurückgegriffen werden. Russland will Öl und Gas, die bislang zur Stromerzeugung verfeuert wurden, zu Weltmarktpreisen exportieren. In den kommenden zwölf Jahren sollten 26 neue Atomreaktoren gebaut werden. Zudem kündigte der Staatschef den Bau neuer großer Wasserkraftwerke in Sibirien und im Fernen Osten an.

Über den heiklen innenpolitischen Teil der Rede rettete sich Putin dagegen mit Allgemeinplätzen. So sagte der Staatschef, dass die Zivilgesellschaft wieder erstarkt sei. Den brutal niedergeknüppelten Protest der Opposition erwähnte er nicht direkt. Russland, sagte Putin unter donnerndem Applaus, brauche keine Revolutionen.

Elke Windisch (mit dpa)

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