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Mit Gesichsmaske wurde in den letzten Tagen noch für die Parade geübt.

© Alexei Kolchin, Reuters

Putin verschiebt Militärparade: Das Virus ist stärker als die Panzer

Am 9. Mai sollte auf dem Roten Platz eine Parade zum 75. Jahrestag des Sieges stattfinden. 15.000 Soldaten übten dafür schon seit Wochen.

Präsident Wladimir Putin hat buchstäblich bis zum letzten Moment gezögert, schließlich ging es um das wichtigste politische Ereignis dieses Jahres in Russland: die Feiern am 9. Mai zum 75. Jahrestag des Sieges über den deutschen Faschismus.

Die Militärparade auf dem Roten Platz sollte vor großer Kulisse eine grandiose Demonstration der Stärke werden. 15000 Soldaten übten dafür schon seit Wochen auf dem Stützpunkt Alabina westlich von Moskau. Die Vorführung neuester Waffentechnik sollte die Welt beeindrucken.

Jetzt musste Putin bekanntgeben, dass der Aufmarsch wegen der Coronavirus-Pandemie, die Russland immer heftiger heimsucht, verschoben wird. Der Höhepunkt des Infektionsgeschehens werde in den nächsten zwei, drei Wochen erwartet, erklärte Anastasja Rakowa, die für das Gesundheitssystem zuständige Moskauer Vizebürgermeisterin, am Freitag.

Schon seit Anfang April seien in der russischen Führung Alternativen diskutiert worden, schreiben russische Journalisten unter Berufung auf Quellen im Kreml. Die Militärs sollen vorgeschlagen haben, man könne die Parade ohne Publikum durchführen. Als sich aber am Mittwoch drei Veteranenverbände in einem Brief mit der Bitte um Verschiebung an Putin wandten, konnte man sicher sein, dass die Entscheidung gefallen war. Einen Tag später verkündete sie der Präsident dann offiziell.

Die Parade und eine anschließende Demonstration zur Ehrung der Veteranen mit rund einer Million Teilnehmern in der russischen Hauptstadt sollten auch nach innen ein Signal senden. Die Beschwörung der russischen Geschichte – und dabei besonders die Erinnerung an den Heroismus im Zweiten Weltkrieg – ist die zentrale Säule bei dem Versuch Putins, in seiner vierten Amtszeit die russische Identität zu definieren und die Gesellschaft zusammenzuhalten.

Nationalistische Töne

Deutlich nationalistische Töne und die Wiederbelebung des sowjetischen Narrativs führten zu schwerwiegenden Konflikten mit den Nachbarn. Der Kreml nahm sie nicht nur in Kauf, russische Politiker eskalierten die Spannungen sogar. Vor allem Polen wurde angegriffen. Im Jahr 2009 noch hatte sich Putin bei einer Rede in Gdansk dafür entschuldigt, dass sich die Sowjetunion 1939 an der Seite Hitlerdeutschlands an der Zerschlagung Polens beteiligt hatte. Inzwischen wirft die russische Führung Polen vor, den Nachbarn treffe eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Angriffe aus Moskau richteten sich auch gegen die Staaten des Baltikums, während andere aus der Sowjetunion hervorgegangene Länder wie Georgien ihren Beitrag zum Sieg nur ungenügend gewürdigt sehen. Fast schien es, als habe es Putin von Beginn an darauf angelegt, dass einige Staatsführer seine Einladung zur Parade ausschlagen würden.

Militärparaden zum Tag des Sieges im Mai sind eine junge Tradition. Zu sowjetischen Zeiten fanden sie nur viermal statt: zum Kriegsende und zu runden Jubiläen. Dem Auftritt der Armee war damals der 7. November vorbehalten, der Tag der Oktoberrevolution 1917. Es war Präsident Boris Jelzin, der 1995 im neuen Russland die Tradition jährlicher Siegesparaden begründete. Lenins Revolution mochte er nicht mehr feiern, aber auf eine Demonstration militärischer Stärke wollte er in den schwierigen 90-er Jahren nicht verzichten.

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