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Militär vor dem Regierungsgebäude in Bangkok.

© AFP

Update

Putsch in Thailand: Armeechef setzt sich an die Regierungsspitze

Einen Tag nach dem Militärputsch in Thailand hat sich Armeechef Prayuth Chan-ocha persönlich zum Regierungschef ernannt. Zudem hat sich Ex-Regierungschefin Yingluck dem Militär gestellt.

Den Coup-gewohnten Thailändern braucht niemand zu sagen, wie sie sich nach einem Staatsstreich zu verhalten haben. Kurz nachdem der Militärchef Prayuth Chan-ocha am Donnerstag die Macht an sich gerissen hatte, deckten sich die Menschen im Land rasch mit dem Wichtigsten ein. Die Busse und Züge waren in dieser Zeit überfüllt, Straßen waren blockiert. Um 22 Uhr begann dann die Ausgangssperre, und praktisch auf die Minute genau verstummte der Verkehr in der sonst rund um die Uhr pulsierenden Millionenmetropole Bangkok.

Die große Allgemeinheit in Thailand hatte den Putsch erwartet. Sie hat überhaupt die Nase voll von Politik nach Jahren der gegenseitigen Aufhetzung, die gerade an Thailands Wirtschaft und insbesondere Tourismusindustrie nicht spurlos vorübergeht. So konnte Prayuth Schlag auf Schlag seine neue Macht konsolidieren. Wie die Armee mitteilte, übernahm er am Freitagmorgen den Posten des Regierungschefs. Mehr als hundert Politiker und Aktivisten, darunter die unlängst abgesetzte Regierungschefin Yingluck Shinawatra, mussten sich beim Militär melden und erhielten Ausreisesperren. Yingluck und ihre Familie bleiben in Haft. Außerdem lud Prayuth die ausländischen Botschafter ein, um sie über die Hintergründe zu informieren, doch die meisten sagten ab. „Ich werde nicht teilnehmen!“, twitterte etwa der deutsche Botschafter Rolf Schulze. Auch andere Botschafter wollten sich allenfalls durch Diplomaten vertreten lassen.

Dass am Ende der Armeechef dabei half, wieder einmal eine gewählte Regierung in Thailand zu stürzen, ist verwunderlich. Prayuth hatte zuvor wieder und wieder beteuert, ein Putsch bringe nichts, Thailands politische Probleme seien Sache von Politikern. Noch am Dienstag spielte sich Prayuth mit einem begrenzten Kriegsrecht zum „Vermittler für Friedensgespräche“ und Hoffnungsträger dafür auf, dass eine neue Generation von Uniformierten der Zivilgesellschaft mehr Verantwortung zutraue. 48 Stunden später putschte er.

Oppositionsführer Suthep Thaugsuban hatte den General zur Weißglut getrieben. Am zweiten Tag von Gesprächen verlangte Suthep unter sechs Augen mit Prayuth und Jatuporn Prompan zu sprechen, dem verfeindeten Führer der regierungstreuen Rothemden. Die drei kehrten zurück, der General sagte ruhig: „Offenbar gibt niemand nach, um dem Land Frieden zu bringen. Ich möchte gerne bekanntgeben, dass ich die Macht übernehme.“ Einige vermuten, dass Prayuth die politischen Streithähne in eine Falle gelockt hatte. Denn plötzlich wimmelte es überall vor Soldaten. Suthep, dessen Unterstützen und Kontrahenten wurden an einen unbekannten Ort gebracht. Zwar spricht der General von einem „Coup der guten Absichten“, trotzdem ist eine Art politischer Crackdown in Gang, mit dem sich Prayuth auf eine hochriskante Gratwanderung begibt.

In Thailand schwelt seit sieben Monaten eine politische Krise, die mit Kritik am Führungsstil von Ministerpräsidentin Yingluck begann. Yingluck ist die Schwester des 2006 von der Armee gestürzten Regierungschefs Thaksin Shinawatra und war kürzlich wegen Amtsmissbrauchs von der Justiz als Regierungschefin abgesetzt worden. Zuvor gab es eine Parlamentsauflösung, vorgezogene Neuwahlen, die später von der Justiz annulliert wurden, sowie 28 Tote und hunderte Verletzte bei Protesten.

Äußerlich herrschte in Bangkok nach dem Putsch schnell wieder Normalität. Die Menschen gingen zur Arbeit, kleine Verkaufsstände an den Straßen öffneten wie üblich. Auf den Straßen waren keine Panzer und nur wenige Soldaten vor wichtigen Gebäuden zu sehen. Deutschland, Großbritannien und die USA verurteilten den Coup. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief die Verantwortlichen zu raschen Neuwahlen auf. Washington prüft den Abbruch militärischer Beziehungen. (mit dpa)

Daniel Kestenholz

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