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ARCHIV - Soldaten passieren die Kontrollhäuschen der Niederauerbach-Kaserne in Zweibrücken (Archivfoto vom 21.06.2006). Nach dem Bekanntwerden obszöner Rituale in einem Fallschirmjäger-Bataillon im pfälzischen Zweibrücken hat die Bundeswehr die örtliche Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Diese prüfe die Einleitung von Strafverfahren gegen einzelne Vorgesetzte, teilte die Division Spezielle Operationen am Samstag (25.06.2006) mit und bestätigte damit einen Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel». Foto: Becker & Bredel dpa/lrs +++ dpa-Bildfunk +++

© picture-alliance/ dpa

Querdenker in Uniform: Ermittlungen gegen rechtsextreme Impfgegner in der Bundeswehr

Der Fall des fanatischen Oberfeldwebels Andreas O. zeugt von einem Querdenker-Netz bei den Streitkräften. Rechtsextremisten freuen sich und hoffen auf mehr.

Von Frank Jansen

Die Auftritte des Soldaten beim Messengerdienst Telegram sind verstörend. Oberfeldwebel Andreas O. hält in einem Video, zivil gekleidet bei einer Versammlung von Impfgegnern, eine wilde Rede. „Ich kann meine Worte nur an alle Feiglinge und Hochverräter an unserem Grundgesetz richten: ihr braucht euch keine Chance ausrechnen“, ruft der Gebirgsjäger.

Er droht, „euch wird man in Scherben schlagen. Eure Leichen wird man auf Felder verstreuen“. Die Menge ist begeistert und klatscht. Dann folgen zwei weitere Kurzfilme, Andreas O. posiert in Tarnuniform der Bundeswehr. Zuletzt hält er die rechte Hand militärisch an die Stirn und verkündet, „ich befehle jedem mir untergebenen Soldaten für 19 Uhr wieder in den Dienst. In Uniform“.

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Der Oberfeldwebel verlangt, die „Spaziergänge“ der Impfgegner zu schützen und Polizisten, die sich „verfassungsfeindlich oder übergriffig“ zeigten, „festzusetzen und der Strafverfolgung zuzuführen“.

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Die Bundeswehr wird wieder einmal von einer Gruselgeschichte geplagt. Das bizarre Gehabe des 29-jährigen, in Bad Reichenhall stationierten Unteroffiziers zeugt vom Einsickern des Fanatismus der Querdenker in die Streitkräfte. Die schon reichlich Probleme mit Extremisten haben, vor allem mit Rechten.

Vergangenen Donnerstag hat die Polizei in München am Odeonsplatz Andreas O. festgenommen. Begleitet wurde er vom pensionierten Oberst Maximilian E., der einst bei der Eliteeinheit KSK war und gemeinsam mit dem Neonazi Nikolai Nerling nach der Flut an der Ahr als Helfer agierte. Maximilian E. hatte zudem im Frühjahr 2020 bei einer Kundgebung die Bundeswehr aufgerufen, das KSK nach Berlin zu beordern und im Parlament "kräftig aufräumen".

Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus ermittelt

Auch wenn dem „Befehl“ von Andreas O., mit ihm Impfgegner zu schützen, kein Soldat gefolgt war, hielt die Generalstaatsanwaltschaft München die Agitation für brisant genug, um die Ermittlungen an sich zu ziehen. Die „Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET)“ führt nun ein Verfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten. Ein extremistischer Hintergrund könne nicht ausgeschlossen werden, heißt es. Ein Blick in Telegram, das mehr und mehr zum Sprachrohr für Fanatiker wird, lässt die Dimension des Problems der Bundeswehr ahnen.

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In der Chatgruppe „Soldaten für das Grundgesetz“ wird Andreas O. gefeiert. Mit Kommentaren wie „Steht zu dem Mann, der Mut hatte was zu bewegen“, „er ist unser Held und wird hoffentlich den Umschwung einleiten“, „er ist ein deutscher Soldat, der seinen Eid ernst nimmt und die Freiheit seines Vaterlandes über sein Ego stellt“. Die Chatgruppe hat 6200 Abonnenten, viele sind offenbar oder waren zumindest Angehörige der Bundeswehr. Hauptthema ist die so genannte Duldungspflicht für Soldaten, sich impfen zu lassen. Dagegen lehnen sich, wie Telegram zu entnehmen ist, nicht nur rangniedrige Uniformträger auf, sondern auch ein Oberstleutnant.

Ein Ton, als stünde das Ende der Demokratie bevor

In einem offenen Brief an den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr schreibt Daniel F., „ich frage Sie als Mensch, ob Sie es gegenüber ihrem ,Hippokratischen Eid’ zulassen können, dass Männer und Frauen wegen einer medizinisch fragwürdigen Maßnahme gebrochen werden“. Das ist der übliche Ton im Chat. Dramatisch, als stünde das Ende der Demokratie bevor. Andreas O. schließt sich bei Telegram in einem Kurztext dem Offizier an, „ich erkläre hiermit ebenfalls der Regierung den Kampf bis die verfassungsmäßige Ordnung wiederhergestellt ist“.

Andreas O. verweigerte schon Befehle

Das Verteidigungsministerium äußert sich auf Anfrage nur knapp zum Fall Andreas O. „Der Sachverhalt und etwaige Konsequenzen werden geprüft“, schreibt ein Sprecher. Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass der Oberfeldwebel offenbar nicht so leicht aus der Bundeswehr entfernt werden kann, da er länger als vier Jahre Zeitsoldat ist. Sicherheitskreise sagen, Andreas O. habe schon früher Befehle verweigert und keine Maske getragen. Für Rechtsextremisten ist der Fall ein Geschenk. Das Magazin „Compact“, ein Organ für rechte und querdenkende Demokratiefeinde, orakelt, „möglicherweise kann sein Mut andere Soldaten inspirieren – und im Heer eine Welle der Dissidenz lostreten“.

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