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Sollte Mariano Rajoy auch Freitag scheitern, dürfte es wieder Neuwahlen geben.

© REUTERS

Rajoy verliert Vertrauensabstimmung: In Spanien drohen wieder Neuwahlen

Spaniens geschäftsführender Regierungschef Rajoy verlor wieder eine Vertrauensabstimmung. Eine Chance zur Regierungsbildung hat er noch. Es drohen Neuwahlen - zum dritten Mal innerhalb eines Jahres.

„Und jetzt - wie geht es weiter?“ Diese Frage, mit welcher die nationale Zeitung El País am Donnerstag ihren Leitartikel betitelte, stellt sich die ganze spanische Nation. Der provisorische Regierungschef Mariano Rajoy fiel am Mittwochabend in der Vertrauensabstimmung im spanischen Parlament durch. Und niemand scheint zu wissen, wie Spanien, das seit 250 Tagen ohne gewählte Regierung ist, aus dem politischen Chaos herausfinden soll.

Der konservative Parteichef Rajoy, der seit Ende 2011 in Spanien an der Macht ist, aber in der Parlamentswahl im Dezember 2015 seine absolute Mehrheit verlor, hat am Freitagabend noch eine kleine Chance, das politische Chaos zu beenden:  Dann ist im spanischen Parlament eine zweite Abstimmungsrunde angesetzt, in der Rajoy keine absolute, sondern nur noch eine einfache Mehrheit braucht, um von den Abgeordneten zum Regierungschef gewählt zu werden.

Sollte er auch in diesem zweiten Anlauf scheitern, drohen dem Euro-Krisenland zum dritten Mal innerhalb eines Jahres Parlamentswahlen. Diese Dauerschleife würde das südeuropäische Königreich, das mit einem wachsenden Schuldenberg und Massenarbeitslosigkeit kämpft, weiter zurückwerfen. Bereits seit zehn Monaten sind keine Gesetze mehr auf den Weg gebracht worden. Ein Reformstau, der die EU besorgt. Das Königreich muss dringend Sparmaßnahmen beschließen, um sein ausuferndes Etatdefizit endlich unter Kontrolle zu bekommen.

In der Vertrauensabstimmung am Mittwochabend hatte Rajoy nur 170 Ja-Stimmen erhalten, 180 Abgeordnete stimmten gegen ihn. Die in der ersten Runde notwendige absolute Mehrheit liegt bei 176 der insgesamt 350 Mandate. Der Konservative erhielt lediglich die 137 Stimmen seiner eigenen Volkspartei, 32 Stimmen der liberal-bürgerlichen Partei Ciudadanos (Bürger) und eine Stimme der kanarischen Regionalpartei Coalición Canaria (Kanarische Koalition).

Im Land glaubt kaum jemand an das politische Wunder

Die Sozialisten, die linksalternative Partei Podemos (Wir können) und die Regionalparteien aus dem Baskenland und Katalonien stimmten gegen Rajoy. Sozialistenchef Pedro Sánchez lehnte eine Unterstützung Rajoys ab, weil dieser durch Korruptionsskandale schwer belastet sei. „Das Problem ist, dass man Ihnen nicht trauen kann“, attackierte Oppositionsführer Sánchez den Regierungskandidaten Rajoy.

Der Podemos-Vorsitzende Pablo Iglesias bot den Sozialisten an, die Bildung einer alternativen Mitte-Links-Regierung zu versuchen. Theoretisch könnten Sozialisten und Podemos ein Minderheitskabinett bilden und sich bemühen, mit den Basken und Katalanen eine Tolerierung auszuhandeln - eine rechnerische Mehrheit hätten sie dafür. Diese Regierungsalternative scheiterte bisher jedoch an ideologischen Gräben. Vor allem die Forderung der katalanischen Separatistenparteien, über die Unabhängigkeit Kataloniens per Referendum abstimmen zu dürfen, stößt bei den Sozialisten auf Widerstand.

In Spanien schient niemand an ein politisches Wunder in der zweiten Abstimmungsrunde am Freitagabend zu glauben. „Das Szenario von dritten Parlamentswahlen nähert sich“, titelte die einflussreiche Online-Zeitung „El Diario“. Für das Wunder müssten einige Abgeordnete der mauernden Opposition „umfallen“, indem sie in der Abstimmung sich enthalten, einfach nicht erscheinen oder sogar mit „Ja“ stimmen.

In der nationalen Wahl Ende 2015 hatte Rajoy seine absolute Mehrheit verloren und es anschließend nicht geschafft, eine Regierung zu bilden. Da auch die Opposition keine alternative Mehrheit zusammenbekam, musste im Juni neugewählt werden. Diese Neuwahl brachte auch keine klaren Machtverhältnisse. Mit dem Ergebnis, dass sich das politische Trauerspiel in Spanien nun immer weiter hinzieht und die Bürger möglicherweise im Dezember 2016 erneut an die Urnen gerufen werden müssen.

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