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Ralf Stegner (54) ist SPD-Landeschef in Schleswig-Holstein und führt dort auch die Fraktion seiner Partei im Landtag. Von 2003 bis 2008 war er zunächst Finanz- und dann Innenminister in Kiel. Demnächst soll der Parteilinke SPD-Bundesvize werden.

© picture alliance/dpa

Ralf Stegner im Interview: "Die CSU biedert sich rechtspopulistisch an"

Der designierte SPD-Vize Ralf Stegner sieht seine Aufgabe in intensiveren Kontakten zur Linkspartei. Menschen, die ihn "Kotzbrocken" nennen, stattet er auch mal einen Besuch ab.

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Herr Stegner, Sie haben in Schleswig-Holstein selbst einmal mit der CDU koaliert, aber das ging nicht gut. Warum soll es im Bund nun besser laufen?

Die SPD befand sich 2005 in einer Zwangslage. Wir waren nach der gescheiterten Wiederwahl von Heide Simonis unter denkbar schlechten Vorzeichen in die Koalition mit der CDU gegangen. Die Lehre für die SPD lautet: In einer großen Koalition dürfen wir uns nie auf die Rolle des braven Juniorpartners reduzieren lassen, aber auch nicht Opposition in der Regierung sein. Die Koalition mit der Union im Bund sind wir mit dem Ziel eingegangen, die nächste Regierung wieder selbst zu führen.

Die Regierung ist bisher vor allem durch Streit aufgefallen. Wollen Sie das schlechte Klima von Schwarz-Gelb kopieren?
Vom schwarz-gelben Niveau, auf dem man sich gegenseitig „Wildsau“ und „Gurkentruppe“ schimpft, sind wir glücklicherweise weit entfernt. Das wird auch nicht kommen. Manche zugespitzte Formulierung erweist sich in der Sache dann als harmlos. Nehmen Sie den Mindestlohn. Da haben wir eine klare Vereinbarung im Koalitionsvertrag, es wird bei regulären Beschäftigungsverhältnissen keine Ausnahmen geben. Schülerpraktika gehören nicht in diese Kategorie, sie sind Teil der Ausbildung.

Sie sind selbst hart eingestiegen und haben der CSU im Streit um Armutszuwanderung „billigsten Populismus“ bescheinigt. Geht man so mit einem Koalitionspartner um?
Ein Satz wie „Wer betrügt, der fliegt“ ist nah an der Rhetorik von NPD und AfD. Damit biedert sich die CSU rechtspopulistisch an. Das kann nie Politik einer Koalition sein, an der die SPD beteiligt ist. Dafür habe ich genauso wenig Sympathien wie für die nationalistischen Töne im Europaprogramm der Linkspartei.

Ursprünglich wollten Sie SPD-Generalsekretär werden, nun sollen Sie zum Parteivize gewählt werden. Wie kam das?
Eine wichtige Rolle spielte die Frage, ob Frauen im Personaltableau der engeren SPD-Führung ausreichend vertreten sind. Ich freue mich auf die Aufgabe eines stellvertretenden Parteichefs. Das gibt mir Freiheiten, die der oberste Angestellte der Partei so nicht hat. Mein Engagement hat das Ziel, für das nötige Profil der SPD zu sorgen, damit wir 2017 wieder den Kanzler stellen. Ich bin kein Diplomat, sondern jemand, der gern SPD pur vertritt. Das gefällt naturgemäß nicht jedem.

Ist Ihr Image ein Problem? Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, hat Sie einmal als „Kotzbrocken“ bezeichnet …
Das ist eine beleidigende Zuschreibung. Ich habe Herrn Güllner damals besucht, was ihn sehr verblüffte, und habe ihm gesagt: Bevor ich mich über Sie öffentlich äußere, möchte ich Sie erst einmal kennenlernen. Von persönlichen Beleidigungen halte ich nichts, von Klartext viel. Meine Devise ist: lieber ein eckiges Etwas als ein rundes Nichts. Dass die politische Konkurrenz mich nicht mag, ist o. k. Viele Menschen, die mich kennenlernen, kommen zu einem ganz anderen Urteil.

Sie haben nicht geklatscht, als im Kieler Landtag CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen verabschiedet wurde. War das richtig?
Dazu stehe ich. Peter Harry Carstensen ist ein netter älterer Herr, der leider den falschen Beruf ergriffen hat. Er hatte als Regierungschef seinen Koalitionspartner SPD sehr schlecht behandelt. Lügen aus Comment war noch nie meine Leidenschaft.

Vertreten Sie als Vizeparteichef die Parteilinke oder die Gesamtpartei?
Ich habe in den vergangenen Jahren meinen Beitrag dazu geleistet, dass die Parteilinke sich nicht als innerparteiliche Opposition betätigt hat, sondern die Inhalte der SPD wesentlich mitgestaltete. Meine Loyalität gilt immer zuerst der SPD und ihren Zielen, weniger dem vermeintlichen Strömungsinteresse oder einzelnen Personen.

Aber dem Parteivorsitzenden fühlen Sie sich verpflichtet?
Ich unterstütze Sigmar Gabriel aus voller Überzeugung, weil er seit seiner Wahl 2009 die SPD sehr gut geführt hat. Im Kern geht es darum, dass wir wieder mehrheitsfähig werden.

Wie werden Sie mit der Linken umgehen?
Ich werde mich um intensivere Kontakte mit der Linkspartei bemühen, weil ich es immer für falsch gehalten habe, eine Koalition mit ihr generell auszuschließen und damit die Union in Sicherheit zu wiegen. Das mache ich nicht aus Sympathie für die Linkspartei. Gerade im Westen sollte es links von der SPD keine Partei in den Parlamenten geben. Ich will aber dafür arbeiten, dass wir 2017 reale Machtoptionen haben. Bei der Bundestagswahl hat es uns geschadet, dass die Menschen Rot-Grün für unrealistisch hielten. Eine Koalition mit der Linkspartei muss eine Option sein, aber sie ist an inhaltliche Bedingungen geknüpft.

Was ist mit den Liberalen, falls die wieder in den Bundestag kommen?
Wenn sich die FDP von einer Egoistenpartei zu einer sozialliberalen Kraft wandelt, würde sie für uns wieder interessant, und nur dann gibt es eine Koalitionsoption. Es ist gut, dass die FDP auf ihrem Dreikönigstreffen in Stuttgart klargestellt hat, dass sie nicht dem europafeindlichen Kurs der AfD hinterherlaufen will. Aus guten Kieler Erfahrungen heraus bleibt meine Präferenz aber Rot-Grün.

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