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Tempo, Tempo. Starke Motorisierung und gefühlte Sicherheit verleiten zum Gasgeben.

© Marcus Führer picture-alliance/ dpa

Raser-Urteile und ihre Außenwirkung: Zeichen setzen? Besser nicht

Das Berliner Mordurteil gegen Autoraser war ein fataler Fehlgriff - ein Prozess in Köln bewies dagegen, wie Gerichte dennoch Härte zeigen können. Ein Kommentar.

Von Strafgerichten wird erwartet, sie mögen "Zeichen setzen" gegen Kriminalität. Gegen islamistischen Terror zum Beispiel, spektakuläre Mord- oder Vergewaltigungsfälle (Ehrenmord) oder illegale Autorennen. Mit den Zeichen sind harte Strafen gemeint. Abschreckung wirkt, lautet der Menschheitsirrtum, über die Realität des Verbrechens. Heerscharen von Wissenschaftlern haben Statistiken durchkämmt und Dunkelfelder ausgeleuchtet mit dem Ergebnis, dass diese These unhaltbar ist. Egal. Nur eine hohe Strafe soll eine gerechte sein.

Es ist deshalb viel verlangt von Richtern, dass sie Zeichen setzen. Normalerweise sind sie daran gehindert. Recht und Gesetz erlauben keine Zeichensetzung nach Volkes Stimmung. Tun sie es doch, geht es schief. Die Dekonstruktion des landgerichtlichen Urteils zu den Kudamm-Rasern durch den Bundesgerichtshof (BGH) ist dafür eben dies: ein Zeichen.

Aus den jetzt veröffentlichten schriftlichen Gründen tritt deutlich hervor, wie vernichtend das Urteil über das Urteil der Berliner Richter ist, die überzeugt waren, es mit einem Fall vorsätzlichen Mordes zu tun zu haben. Falsch, widersprüchlich und vor allem voller laienpsychologischer Schablonen waren die Feststellungen des Landgerichts, die den Vorwurf tragen sollten. Dort wurden die Täter unter anderem als Menschen beschrieben, die sich in ihren PS-Karossen so sicher "wie in einer Burg" gefühlt hätten - aber offen blieb, wie sie sich dann gedanklich mit einem tödlichen Ausgang ihres Wettbewerbs hätten abfinden können. Entweder fühlt man sich sicher oder man fühlt sich im Risiko. Beides geht schlecht.

Besonders ärgerlich, dass die im Ergebnis fehlgeschlagene Zeichensetzung den Eindruck verstärkt, die Justiz habe keinerlei Handhabe, um Zeichen zu setzen. Dies wird dann allgemein als Schwäche gedeutet. Dabei gibt es Möglichkeiten, nur in dosierter Form. Darauf verweist jetzt das ebenfalls nach einer Revision vor dem BGH gesprochene Urteil zu einem Kölner Raser-Fall, bei dem eine Radlerin starb. Es blieb zwar bei den Haftstrafen für fahrlässige Tötung von zwei Jahren sowie einem Jahr und neun Monaten für die Täter, jedoch werden sie vollstreckt und nicht, wie in einem ersten Urteil, nur zur Bewährung ausgesetzt.

Das lässt sich gut mit dem Gesetz begründen, das verlangt, Haftstrafen von mehr als einem Jahr nur unter besonderen Umständen zur Bewährung auszusetzen. Und sogar wenn sie kürzer sind, können sie zur "Verteidigung der Rechtsordnung" vollstreckt werden. Auch die Kudamm-Raser erwarten noch mehrjährige Haftstrafen. Sie werden büßen müssen. Aber es wird trotzdem alles nach Milde aussehen, weil es nun voraussichtlich kein Mordurteil mehr wird. Das Berliner Landgericht hat hohe Erwartungen geweckt und damit die Enttäuschung vergrößert. Ein verhängnisvolles Zeichen.

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