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Politik: Rau wünscht sich mehr Zuversicht

Der Bundespräsident sorgt sich im letzten Interview seiner Amtszeit um die Stimmung im Land

Berlin. Der scheidende Bundespräsident Johannes Rau hat sich besorgt über die Stimmung in Deutschland geäußert. Im Vergleich zu seinem Amtsantritt vor fünf Jahren gebe es „weniger Zuversicht“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag im letzten Zeitungsinterview seiner Amtszeit. Daran mangle es den Deutschen „immer mehr“. Auch in der Rede, in der er sich kritisch über die Gier der Eliten im Lande äußerte, habe er zuallererst die Bürger ermutigen wollen, sich einzumischen und Verantwortung zu übernehmen. Um das glaubwürdig zu tun, müsse man aber auch deutlich ansprechen, woran es den Eliten mangle.

Den Gesetzentwurf zur Zuwanderung kritisierte Rau als unzureichend. „Zufrieden sein kann man damit nicht“, sagte Rau. Sowohl für die Einheimischen wie für die Zuwanderer dürfe man sich „mehr wünschen“. Man könne aber „dankbar sein, dass wir endlich wenigstens so weit gekommen sind“.

Die Unterschrift unter das Zuwanderungsgesetz im Frühjahr 2002 nannte Rau die „eindeutig“ schwierigste Entscheidung seiner fünfjährigen Amtszeit. Die unionsregierten Länder hatten das Gesetz seinerzeit im Bundesrat abgelehnt. Weil der damalige Bundesratspräsident, Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit, die unterschiedlichen Stimmen von Brandenburgs großer Koalition aber als Ja-Stimmen wertete, landete das Gesetz zur Unterschrift bei Rau. Das Bundesverfassungsgericht verwarf es später als nicht verfassungsgemäß, es wurden neue Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition nötig, die nach zwei weiteren Jahren vergangene Woche zu einem Kompromiss führten.

Optimistisch äußerte sich Rau über die Fähigkeit der deutschen Gesellschaft, antisemitischen Tendenzen zu widerstehen. Er habe den Eindruck, dass sie „kaum Resonanz“ fänden. Natürlich gebe es „islamistische Ansätze, die bis an deutsche Stammtische dringen“. Das halte er aber für „beherrschbar“. In der öffentlichen Diskussion hingegen gebe es „Tendenzen, die mir nicht gefallen. Manche benutzen Israels Regierungspolitik als Vehikel für antisemitische Äußerungen. Und andere sind befangen in der Kritik an der israelischen Regierung, damit sie nicht in den Verdacht des Antisemitismus geraten.“

Zu seinen Zukunftsplänen sagte der Sozialdemokrat Rau, es gebe für ihn „kein Zurück in eine parteipolitische Funktion“. Er werde seine Wurzeln zwar weder verleugnen noch unkenntlich machen, auf welchem Fundament er politisch stehe. Aber er wolle „nicht nachträglich die Überparteilichkeit des Bundespräsidenten einfach aufgeben, weil ich sonst die Glaubwürdigkeit dieser fünf Jahre einschränken würde“, sagte Rau dem Tagesspiegel am Sonntag. Er fügte aber auch hinzu: „Ich habe mal gesagt, keine Partei ist vor mir sicher.“

Rau sagte, die Zahl der „reizvollen und faszinierenden“ Anfragen für eine Tätigkeit nach dem Bundespräsidentenamt liege „in der Nähe des Vierstelligen“. Er habe sich aber selbst versprochen, dass er während seiner Amtszeit keine Entscheidung treffen werde.

Seiten 7 und 11

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