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Rauch steigt über dem russischen Stützpunkt in der Nähe des Dorfes Maiskoje auf.

© IMAGO/ITAR-TASS

Rauchwolken über der Krim: Sind die Explosionen der Beginn der ukrainischen Gegenoffensive?

Kiew sieht im Süden derzeit die größten Chancen für die Gegenoffensive. Angriffe auf Krim-Stützpunkte wären nach Expertenansicht ein logischer Schritt dafür.

Zum zweiten Mal in diesem Monat haben am Dienstag schwere Explosionen die von Russland annektierte ukrainische Krim erschüttert. Am Morgen explodierte in der Nähe der Ortschaft Maiskoje ein Munitionsdepot in einem Feldlager der russischen Truppen. Zwei Menschen kamen nach offiziellen Angaben zu Schaden. Der russische Statthalter der Krim, Sergej Aksjonow, ordnete eine Fünf-Kilometer-Sperrzone und die Evakuierung von 2000 Menschen an.

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Anders als bei den Explosionen auf dem Luftwaffenstützpunkt Saki zu Monatsbeginn gab das russische Verteidigungsministerium diesmal nach kurzem Zögern zu, es habe sich in Maiskoje um einen Sabotageakt gehandelt. Die Eisenbahnlinie von Simferopol nach Norden, eine wichtige Nachschubverbindung für die russischen Truppen in der Südukraine, musste unterbrochen werden.

Nach den Explosionen auf den Luftwaffenstützpunkt Saki am 9. August waren sich die offiziellen Stellen Russlands und der Ukraine noch einig. Beide Seiten erklärten damals, es habe sich nicht um einen Angriff ukrainischer Streitkräfte gehandelt. In Saki ist das 43. russische Marineflieger-Regiment stationiert, das regelmäßig über dem Süden der Ukraine im Einsatz ist. Es verlor an diesem Tag offenbar neun Flugzeuge. Ende Juli war bereits eine ukrainische Drohne auf der Krim eingeschlagen.

Partisanen in besetzten Gebieten aktiv

Der Einsatz von Raketen schien damals unwahrscheinlich, obwohl die später veröffentlichten Satellitenaufnahmen von den Zerstörungen auf dem Flugfeld genau das nahelegten. Doch Saki liegt außerhalb der Reichweite der Waffensysteme, die Ukraine offiziell besitzt.

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, auf der Luftwaffenbasis seien die Brandschutzbestimmungen nicht eingehalten worden. Aber westliche Medien zitierten unter Berufung auf anonym bleibende Militärs in Kiew, in Saki seien ukrainische Spezialeinheiten, so genannte Speznasi, im Einsatz gewesen.

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In letzter Zeit gibt es auch immer wieder Berichte über Partisanenaktionen in den von Russland besetzten Gebieten im Süden der Ukraine. Auf die Zentrale der Kreml-Partei „Einiges Russland“ gab es kürzlich eine Explosion. In Cherson wurden Autos der Besatzungspolizei angegriffen und zwei Polizisten getötet. Anfang August wurde der von Russland eingesetzte stellvertretende Verwaltungschef von Nowa Kachowka in der Nähe seines Hauses schwer verletzt.

Die ukrainische Führung macht kein Geheimnis daraus, dass sie im Süden des Landes derzeit die größten Chancen für eine Gegenoffensive gegen die waffentechnisch noch immer überlegene russische Streitmacht sieht.

Die Stadt Cherson am Dnjepr unweit der Halbinsel Krim war im Frühjahr die erste ukrainische Großstadt, die die von der Krim kommenden Angreifer einnehmen konnten. Sie installierten dort eine Verwaltung aus Kollaborateuren und eingeflogenen russischen Statthaltern, die den Anschluss an Russland organisieren sollen.

„Die Entmilitarisierung ist im Gange“

Mit Artillerie und der Luftwaffe greift die Ukraine nun seit geraumer Zeit Brücken über den Dnjepr und russische Stützpunkte in der Region Cherson an. Wichtige russische Nachschublinien wie die Antonow-Brücke in Cherson sind nach Angaben des ukrainischen Geheimdienstes zerstört, ein russischer Kommandostab soll sich angeblich bereits aus der Stadt zurückgezogen haben.

Zerstörung auf der Antonow-Brücke über den Dnepr.
Zerstörung auf der Antonow-Brücke über den Dnepr.

© Stringer/AFP

Angriffe auf die Stützpunkte der nahegelegenen Krim wären nach Ansicht von Militärexperten ein logischer Schritt bei den Vorbereitungen auf eine Gegenoffensive.

Die ukrainische Präsidialverwaltung reagierte am Dienstag in den sozialen Netzwerken auf die Explosionen in Maiskoje. Vizechef Mychailo Podoljak twitterte, die Krim sei kein Ort für Tourismus, „das sind explodierende Lager und tödliche Gefahr“. Sein Chef Andrij Jermak wurde sehr viel deutlicher. Er schrieb, die Entmilitarisierung sei im Gange. Die Vernichtung russischer Waffenlager werde sich fortsetzen bis zur vollständigen Rückeroberung des ukrainischen Territoriums.

Putin preist die russischen Waffen an

Diese Rückeroberung hat Präsident Wolodymyr Selenskij nun faktisch auch als Kriegsziel der Ukraine proklamiert. Er unterzeichnete am Dienstag den Ukas Nummer 579 zur „Beendigung der Okkupation der Krim, der Reintegration und der Wiederherstellung der territorialen Einheit der Ukraine“, wie der sperrig formulierte Auftrag lautet. Jermak soll dafür innerhalb eines Monats einen „Konsultativrat“ zusammenstellen, dem Militärs und Verwaltungsexperten angehören.

Präsident Wladimir Putin hatte Vortag in der Nähe von Moskau im „Park Patriot“ die Waffenschau „Armija-2022“ eröffnet. In seiner Rede bot er laut dem von der Präsidialverwaltung verbreiteten Manuskript den Verbündeten und Partnern wärmstens die „modernsten Waffensysteme an – von Schusswaffen bis zu gepanzerten Fahrzeugen und Artillerie, Militärflugzeuge und Drohnen“. Und er fügte hinzu: „Praktisch alle sind in realen Kampfhandlungen angewendet worden.“

Russlands Präsident Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergej Shoigu (v.r.)
Russlands Präsident Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergej Shoigu (v.r.)

© IMAGO/SNA/Mikhail Klimentyev /Sputnik

Gleichzeitig wiederholte Putin, dass viele der in der Entwicklung befindlichen russischen Waffen westlicher Technik „um Jahre, möglicherweise um Jahrzehnte voraus“ sind. Die Rede sei von „hochgenauen Waffen, Robotertechnik und Systemen, die auf neuen physikalischen Prizipien beruhen“. Das würde die Moskauer Ausstellung überzeugend unter Beweis stellen.

Bei der Gelegenheit bekräftigte Putin noch einmal das russische Kriegsziel: Der Donbass soll komplett eingenommen werden. Die russische Armee erfülle in den „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“ ihre Aufgaben „Schritt für Schritt“ – eine Formulierung, die darauf hindeutet, dass Putin seine Bevölkerung auf einen langen Krieg einstellt.

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