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Die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck.

© Hendrik Schmidt/ZB/dpa

Raus aus der Öko-Nische: Grünes Programm wird Kampfansage an SPD

Die Grünen-Vorsitzenden Baerbook und Habeck feilen am neuen Grundsatzprogramm. Ein starker Akzent wird das Soziale. Gerechtigkeit wird zum zentralen Begriff.

Gerechtigkeit, Solidarität, Sicherheit - mit diesen Begriffen jonglieren die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck bei ihrer Arbeit am neuen Grundsatzprogramm. Die beiden Parteichefs wollen nicht nur das "Garantieversprechen des Sozialstaats" stärken, sondern auch in der Umweltpolitik stärker als bisher auf den "sozialen Ausgleich" achten. Nach der Finanzkrise und Jahrzehnten einer "übersteigerten Marktgläubigkeit" brauche es außerdem "klare Regeln", damit Märkte und Wettbewerb funktionieren "und im gesellschaftlichen Interesse wirken".

An diesem Freitag stellen Baerbock und Habeck auf einem Konvent einen Zwischenbericht zum Grundsatzprogramm vor, das bis zum Herbst 2020 fertig sein soll. Das letzte Programm stammt aus dem Jahr 2002, damals regierte die Ökopartei noch mit den Sozialdemokraten im Bund. Nun setzen die Grünen selbst starke Akzente aufs Soziale. Es ist auch eine Kampfansage an die SPD, die in den Umfragen schon seit einer Weile hinter der grünen Konkurrenz landet.

Gleich zu Beginn des 68 Seiten starke Zwischenberichts benennen die Grünen-Chefs die Grundwerte, die grüne Politik bestimmen sollen: Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Demokratie und Frieden. "Dieses Fundament bildet für uns die Grundlage für eine solidarische Gesellschaft, in der sich die Freiheit der und des Einzelnen auch in der Achtung der Würde und Freiheit anderer entfaltet", heißt es weiter.

In der Sozialpolitik hatte Habeck die SPD schon im vergangenen Sommer unter Zugzwang gesetzt, als er verkündete, die Zeit sei über Hartz IV hinweggegangen. In dem Papier, das er nun mit Baerbock vorlegt, greift er diesen Gedanken wieder auf: "Wir wollen Hartz IV überwinden und eine Garantiesicherung schaffen", verspricht er dort. Für Langzeitarbeitslose soll es künftig mehr Geld als bisher geben, außerdem sollen die Sanktionen wegfallen. Die neue Leistung soll in Abhängigkeit von Einkommen, Vermögen und Bedarf, aber ansonsten bedingungslos gewährt werden.

Klima- und Sozialzölle werden vorgeschlagen

Aufmerksam dürften in der SPD aber auch die Passagen gelesen werden, in denen es um Regulierung in Zeiten der Globalisierung geht. Selbstbewusst formulieren die Grünen hier ihren Anspruch - weder zurück "zur nationalen Scholle", noch alles dem freien Kräftespiel überlassen - sondern: "Wir wollen einen dritten Weg beschreiten und die Regeln in der globalen Arena aktiv gestalten." Ihnen sei bewusst, schreiben sie ein, dass dieser Weg sich gegen "mächtige Interessen" durchsetzen müsse und sich nicht jede Reform sofort auf globaler Ebene verwirklichen lasse. Doch beim Versuch, hier voranzukommen, wollen sie sich auf die Suche nach "Gleichgesinnten" und "Verbündeten unterschiedlichster Art" machen.

Konkrete Forderungen in diesem Kapitel sind etwa die Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder von Klima- und Sozialzöllen. So sei es möglich, ambitionierte Klimaschutzstandards einzuführen und gleichzeitig zu verhindern, dass es zu Konkurrenz durch schmutzige Importe oder zur Verlagerung von Produktionsstätten komme.

"Ökologische Politik wegen sozialer Gerechtigkeit"

Doch auch in der Umweltpolitik setzen die Grünen-Chefs stärker aufs Soziale. Der ökologische Wandel stehe manchmal kurzfristig im Widerspruch zur sozialen Frage, stellen die Parteichefs fest. Zugleich litten schon heute die Ärmsten am meisten unter schmutziger Luft, verdorrten Böden und hochbelastetem Wasser. "Wir machen ökologische Politik wegen sozialer Gerechtigkeit", schreiben sie. Ihr Versprechen lautet: Naturschutz nicht zuallererst um der Natur willen, sondern weil daraus ein Gewinn an Lebensqualität und Wohlstand für die Menschen entsteht. Die Grünen wollen auch diejenigen stärker einbeziehen, die vom ökologischen Wandel betroffen sind, sei es beim Kohleausstieg oder dem Umbau der Autoindustrie. "Große Veränderungen schaffen bei vielen Menschen Unsicherheit und können nicht einfach verordnet werden", heißt es.

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