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Politik: Rauschen auf Kurzwelle

Die BBC verliert ihre Frequenz, das Kulturinstitut muss Russland verlassen – Putins Rache an England?

Das „British Council“, das britische Pendant zum deutschen Goethe-Institut, stellt mit Beginn des neuen Jahres seine Tätigkeit in Russland ein. Grund ist ein neues Gesetz, das gemeinnützige und andere Nichtregierungsorganisationen (NGO) unter staatliche Kontrolle stellt. Mehr noch: NGOs brauchen künftig für die Tätigkeit in Russland Lizenzen.

Der British Council, so eine Sprecherin, habe um eine entsprechende Zulassung zwar beim russischen Bildungsministerium nachgesucht, der Antrag sei jedoch abgelehnt worden. Die Bedingungen für das Zulassungsverfahren seien nicht nur extrem arbeits- und zeitaufwändig, sondern zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch unerfüllbar. Dazu müsste die Organisation ihre Rechtsform ändern, was mit den Statuten unvereinbar sei.

Das neue Gesetz zu nichtstaatlichen Organisationen war von Russlands Parlament vor einem Jahr verabschiedet und am 17. April von Putin per Unterschrift in Kraft gesetzt worden. Trotz massiver Proteste im In- und Ausland. Bedenken hatten auch westliche Regierungschefs geäußert, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Aufregung, verharmloste der Kremlchef, sei unbegründet und von westlichen Medien künstlich geschürt. Die vom Gesetzgeber geforderte Neuregistrierung der NGOs sei eine pure Formsache und „komplett einfach“.

Dennoch waren nach Ablauf der Frist im September von den bisher über 500 in Russland tätigen ausländischen NGO’s noch ganze 100 übrig. Die anderen, darunter auffallend viele Organisationen zur Förderung der Zivilgesellschaft, waren an dem „komplett einfachen“ Regelwerk für die Neuregistrierung gescheitert. Auch NGO-Schwergewichte wie Amnesty international oder Human Rights Watch, die sich die besten und teuersten Juristen leisten können, tappten in die zahllosen formaljuristischen Fallgruben, die davon ablenken sollen, dass es bei dem Gesetz vor allem um politische Wirkung gegen missliebige Organisationen geht.

Russische Demokraten werten die Ablehnung des British Council als Rache dafür, dass Großbritannien sich weigert, den bei Putin in Ungnade gefallenen Multimilliardär Boris Beresowski und den ebenfalls im Londoner Exil lebenden Emissär der tschetschenischen Separatisten, Ahmed Zakajew, an Russland auszuliefern. Vor allem aber sei der Fall eine Retourkutsche für die Polonium-Affäre. In britischen Medien kamen mehrfach hiesige Regimekritiker zu Wort, die Russlands Geheimdiensten, teilweise sogar Putin persönlich, den Giftmord an Ex-Spion Alexander Litwinenko anlasten. Schon Ende November wurde der russische Dienst der BBC seine Frequenz im Moskauer FM-Band los. Der Sender ist momentan nur per Internet zu empfangen oder auf Kurzwelle mit extrem gewöhnungsbedürftigem Rauschpegel. Die Abschaltung, so zitierten britische Medien eine BBC-Sprecherin, sei auf direkte Anweisung des Kremls erfolgt.

Dort nimmt man es offenbar auch mit den in zivilisierten Ländern üblichen Regeln für den Umgang mit ausländischen Diplomaten nicht so genau: Seit Putins Jungvolk „Naschi“ (Die Unsrigen) Großbritanniens Botschafter in Moskau, Anthony Brenton, mit rüden Beschimpfungen nachstellt und sogar handgreiflich wurde, traut sich der Diplomat nur noch mit Leibwächtern auf die Straße.

Forderungen an die Europäer, für mehr Demokratie in Russland einzutreten, wie sie gestern von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zu hören waren, sind also angebracht. Europa, so Barroso in Anspielung auf die wachsende Abhängigkeit des Westens von russischen Energielieferungen, dürfe auf keinen Fall seine menschenrechtlichen Standards wirtschaftlichen Interessen opfern.

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