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Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), blickt am 22.10.2015 während einer Pressekonferenz in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main (Hessen) in die Runde.

© dpa

Razzia beim DFB: Wolfgang Niersbach ist nicht mehr unantastbar

Der Fußball steht nicht außerhalb des Rechts. Das gilt auch für den DFB-Präsidenten, der nach dem WM-Titel der heimliche König von Deutschland war. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Hönicke

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war Wolfgang Niersbach der heimliche König von Deutschland. Seine Fußballer waren in Rio Weltmeister geworden, er ließ sich von der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten umjubeln. Ein gutes Jahr später fuhr nun die Staatsanwaltschaft bei Niersbach vor.

Für den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wird es eng. Die ominösen 6,7 Millionen Euro, die im Rahmen der Vergabe der Fußball-WM an Deutschland flossen, beschäftigen die deutsche Justiz. War man im DFB-Zirkel wirklich so dreist, das vermeintliche Schmiergeld für den WM-Stimmenkauf auch noch beim Fiskus abzusetzen?

Unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen: Ein Mann, gegen den der Verdacht der Steuerhinterziehung vorliegt, dem sogar eine Haftstrafe droht, der kann nicht länger einen Sportverband mit rund sieben Millionen Mitgliedern führen. Niersbach muss sein Amt zumindest ruhen lassen, um weiteren Schaden vom DFB abzuwenden.

Andererseits: Der Schaden ist ja längst angerichtet, auch wenn der DFB das anders sieht. Die Razzia in der Verbandszentrale am Dienstag stellt einen Paradigmenwechsel dar, auch was die Wahrnehmung des Fußballs in der deutschen Öffentlichkeit anbelangt. Lange hat man sich von dessen Zauber benebeln lassen. Auch deshalb konnte das Sommermärchen, dieser zur späten Gründungslegende des wiedervereinten Deutschlands gewordene Monat im Jahr 2006, den Fußball in diesem Land in den Status des Nationalheiligtums befördern.

Der Fußball steht nicht außerhalb des Rechts

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt sendet nun eine unmissverständliche Botschaft aus: Der Fußball steht nicht außerhalb des Rechts, und auch der unantastbar scheinende DFB ist antastbar. Das wollte Niersbach offenbar bis zuletzt nicht wahrhaben. Es war erstaunlich, wie plakativ ahnungslos der DFB-Präsident sich vor zwei Wochen mit einer Geschichte zum Verbleib der 6,7 Millionen Euro an die Öffentlichkeit traute, die mehr Fragen als Antworten lieferte. Er glaubte wohl, die Angelegenheit mit einer Art verbandsinterner Justiz abschließen und eine Einladung in den Sportausschuss des Bundestages einfach ausschlagen zu können.

Die nachträgliche Analyse des Sommermärchens ist aber nicht nur für den DFB eine schmerzhafte Angelegenheit, sondern für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland. Schließlich will Deutschland 2024 die Fußball-EM und die Olympischen Spiele austragen. Als modernes Land sind wir in der Pflicht, die Schattenseiten des Milliardengeschäfts Spitzensport nicht einfach auszublenden, ob es um Korruption geht oder um Doping.

Die Politik muss sich in dieser Frage ihrer Verantwortung stellen. Sie hat dem Spitzensport zu lange eine Sonderrolle eingeräumt und bereitwillig zugelassen, dass speziell der Profifußball eine unappetitliche Nähe zu öffentlichen Institutionen aufbauen konnte. Die Kumpelei zwischen Politikern, Öffentlich-Rechtlichen und Kickergrößen von einst und jetzt ist schlicht unangebracht.

Auffällig ist zudem, dass die größten Fußballfans in der Bundesregierung sich in der Causa DFB bisher wortkarg zeigten. Von der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten ist genauso wenig zu hören wie vom Innen- und Sportminister. Dabei ist es an ihnen, klar aufzuzeigen, welche Rolle die Bundesregierung eigentlich im Geschäftsfeld Spitzensport spielt. Und welche sie damals beim Unternehmen WM 2006 eingenommen hat.

Mehr als neun Jahre nach dem großen WM-Rausch beugt sich Deutschland nun mit Kopfschmerzen über das Kleingedruckte. Langsam dämmert dem Letzten: Der Fußball, der gesamte Spitzensport, verkauft Emotionen, Glanz und Illusionen, Märchen. Viel Geld ist dabei zu verteilen, viele Hände greifen danach, nicht immer geht es dabei sauber zu. Diese realistische Einschätzung des Milieus müssen wir haben, wenn wir Deutschland mitspielen lassen wollen. Denn Märchen gibt es auch im Fußball nur für den, der daran glauben möchte.

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