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Auf der langen Bank. Die Forderung, den Renteneintritt weiter nach hinten zu verlegen, stößt auf ein geteiltes Echo.

© Ralf Hirschberger/zb/dpa

Reaktion auf Forderung nach Rente mit 69: Beifall und Widerstand bei der CDU

Der Bundesbank-Vorstoß für ein späteres Renteneintrittsalter spaltet die CDU. Der Wirtschaftsrat ist dafür, der Sozialflügel schwer dagegen.

Die Forderung der Bundesbank, das Renteneintrittsalter mit der steigenden Lebenserwartung bis zum Jahr 2070 auf mehr als 69 Jahre zu erhöhen, stößt in der Union auf ein geteiltes Echo. Während der CDU-Wirtschaftsrat am Dienstag applaudierte und dazu aufrief, das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentnern durch längere Lebensarbeitszeit „halbwegs im Lot“ zu halten“, wandte sich der Sozialflügel der Partei vehement gegen ein höheres Renteneintrittsalter.

CDA sieht "Angriff auf den Zusammenhalt der Gesellschaft"

Der Vorschlag der Bundesbank sei ein „Angriff auf den Zusammenhalt der Gesellschaft“, sagte der stellvertretende CDA-Bundesvorsitzende Christian Bäumler. Die Lebenssituation eines Hochschulabsolventen, der mit 27 Jahren ins Erwerbsleben trete, sei eine andere als die eines Arbeitnehmers, der mit 17 Jahren zu arbeiten beginne, betonte Bäumler. „Viele Arbeitnehmer erreichen schon heute das gesetzliche Renteneintrittsalter nicht und landen in Hartz IV.“ Er sei "sehr dafür, erst einmal abzuwarten, wie die aktuelle schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters wirkt“, bremste auch der Rentenexperte der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU).

In der SPD ist die Ablehnung klare Sache. Nach Fraktionsexpertin Katja Mast warnte nun auch Generalsekretär Lars Klingbeil davor, „Menschen zu zwingen, bis 70 zu arbeiten, um eine vernünftige Rente zu bekommen". Das sei "kein Rentenkonzept für die Zukunft", stellte er am Dienstag klar. Gleichzeitig verwies er darauf, dass die Regierung für „verantwortungsvolle Reformvorschläge“ eine Rentenkommission eingesetzt habe.

Gewerkschaften: Schon die Rente mit 67 war ein Fehler

Noch deutlicher wurden die Gewerkschaften. Bereits die Rente mit 67 sei ein Fehler gewesen, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der "Neuen Osnabrücker Zeitung“. Ältere Arbeitnehmer würden oft schon vorher arbeitslos oder chronisch krank und retteten sich nach dem Bezug von Arbeitslosen- oder Krankengeld „nur mit Mühe in eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen“. "Diejenigen, die dieses rettende Ufer nicht erreichen, fallen zumeist ins Hartz-IV-Regime und infolgedessen oft in Altersarmut."

Das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung sage zudem nichts über die individuelle Lebenserwartung der arbeitenden Menschen aus, betonte die Gewerkschafterin. Wer schwer arbeite, habe nachweislich ein höheres Sterblichkeitsrisiko als der Durchschnitt aller Erwerbstätigen. "Wer also das Renteneintrittsalter anhebt, kürzt all diesen Menschen eiskalt deren Rente. Gerecht geht anders."

VdK: Höheres Rentenalter wäre gleichbedeutend mit Rentenkürzung

Die Sozialverbände sehen das ähnlich. Viele Menschen in psychisch oder physisch anstrengenden Berufen schafften es schon heute nicht, bis 67 zu arbeiten, meinte VdK-Präsidentin Verena Bentele. "Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters wäre für all diese Menschen am Ende eine schmerzhafte Rentenkürzung." Das könne "nicht das Angebot der Politik gerade für die jüngere Generation sein".

Ein weiterer Anstieg des Renteneintrittsalters „würde mehr Probleme schaffen als lösen“, betonte auch der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler. Viele ältere Menschen in gesundheitlich belastenden Berufen hielten nicht bis zum regulären Renteneintritt durch. "Sie werden vor die Wahl gestellt: entweder Frührente mit lebenslangen Abschlägen oder Arbeitslosigkeit und Vorruhestandsarmut."

Arbeitgeber begrüßen den Vorstoß

Von den Arbeitgebern dagegen kam Zuspruch. Die gewonnene Lebenserwartung müsse auch zu einer längeren Erwerbsphase führen und dürfe nicht nur einen immer längeren Ruhestand bedeuten, meinte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter.

Mit Einschränkungen stimmen dem auch Ökonomen zu. Die Anpassung solle „nicht allein durch ein höheres Rentenzugangsalter erfolgen, sondern nur in dem Maße, in dem die Lebenserwartung steigt“, mahnte Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts in München. Zudem sei zu berücksichtigen, dass mit körperlich belastenden Berufen oder einem niedrigen Einkommensniveau eine im Vergleich etwa zu Akademikern geringere Lebenserwartung einhergehe.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, plädierte mit Blick auf unterschiedliche Voraussetzungen für einen flexiblen Renteneintritt. Er betonte jedoch: „Ohne eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit wird ein nachhaltiges Rentensystem nicht möglich sein.“

FDP wünscht sich eher flexiblen Renteneintritt

Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach einer längeren Lebensarbeitszeit und dem Ideal eines flexiblen Renteneintritts präsentierte sich die FDP. Fraktionsvize Michael Theurer lobte den Bundesbank-Vorstoß als „wichtigen Impuls in der Debatte um Generationengerechtigkeit“. Der FDP-Sozialexperte Johannes Vogel dagegen warnte auf Twitter vor solchen Festlegungen. „Wir müssen uns von der lähmenden Debatte eines starren Renteneintrittsalters freimachen“, schrieb er. Nicht Politiker sollten entscheiden, wann man in Rente gehe, „sondern jede und jeder selbst“.

FDP-Chef Christian Lindner schlug sich auf Vogels Seite. Statt eine pauschale Erhöhung der Lebensarbeitszeit wolle seine Partei eine „Individualisierung des Renteneintritts" nach den Wünschen der Arbeitnehmer, betonte er. Nötig sei zudem ein Ausbau der privaten Altersvorsorge. „So wie die Groko das jetzt macht, wird es absehbar nicht funktionieren", warnte der Parteivorsitzende.

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