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Benjamin Netanjahu redet vor den Vereinten Nationen.

© Spencer Platt,AFP

Reaktion auf Trumps UN-Rede: Netanjahu driftet ins Lager der Illiberalen

Die Rede Trumps vor den Vereinten Nationen lobt Israels Regierungschef als kühn und mutig. Und schmiedet sogleich Allianzen mit Orban und Putin. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Verwundert, verstört, entsetzt: So reagierten viele Menschen auf die erste Rede von US-Präsident Donald Trump vor den Vereinten Nationen. Nordkorea drohte er mit völliger Zerstörung, den Iran nannte er einen Schurkenstaat, der Gewalt exportiere. Das Atomabkommen, das alle fünf Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland mit Teheran geschlossen haben, sei eine Schande. Nur einer rieb sich vergnügt die Hände. In den mehr als dreißig Jahren, die er Reden bei den Vereinten Nationen gehört habe, frohlockte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, sei keine kühner, mutiger und freimütiger gewesen als die von Trump.

Netanjahu und Trump: Zwischen die beiden passt kein Blatt. Sie haben eine Allianz geschmiedet, in der selbst kleinste Differenzen durch wohlwollendes Verständnis füreinander erstickt werden. Beispiel Charlottesville, Virginia. Als dort vor einigen Wochen Neonazis mit Hakenkreuzfahnen durch die Straßen zogen und antisemitische Parolen skandierten, blieb der sonst so aufbrausende Netanjahu zunächst still. Trump wiederum eierte herum, machte erst beide Seiten, Demonstranten und Gegendemonstranten, für die Gewalt verantwortlich, verurteilte dann die Rechtsextremen, ruderte wieder zurück. Nicht nur Holocaust-Überlebende in Israel und den USA empfanden das Herumgedruckse als peinlich und würdelos. Die Zeitung „Haaretz“ schrieb, Netanjahu habe jeden Rest eines moralischen Kompasses verloren.

Netanjahu und Orban: Auch Antisemitismus schreckt ihn nicht

Illiberale Rechtspopulisten sind in Amerika und Europa auf dem Vormarsch. Wo positioniert sich in diesem Konflikt Israel, das doch traditionell seine Stimme für die Verfolgten erhebt? Mit Netanjahu driftet das Land offenbar in Richtung Autoritarismus. Mindestens ebenso eng wie an Trump schmiedet sich „Bibi“ an Ungarns Premier Viktor Orban an. Selbst üble Kampagnen gegen den Milliardär, Philanthropen und Holocaust-Überlebenden George Soros, in denen auf antisemitische Stereotype zurückgegriffen wird, prangert Netanjahu nicht an. Ja, ärger noch: Er wettert selbst gegen Soros und dessen Open-Society-Stiftung, da diese sich auch für die Rechte der Palästinenser stark machen.

Bleibt zuletzt Wladimir Putin. Auch im russischen Präsidenten sieht Netanjahu – trotz mehrerer Zwistigkeiten – offenbar einen Bruder im Geiste. Als nach der Annexion der Krim in der UN über Sanktionen gegen Russland abgestimmt wurde, enthielt sich der Vertreter Israels.

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