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Einschussloch. Durch dieses Fenster in der Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ flog eine Kugel.

© Reuters

Reaktionen auf den Anschlag: Trauer, Wut – und Satire

Weltweit reagieren Menschen betroffen und wütend auf den Terroranschlag von Paris Viele warnen aber auch vor falscher Hetze. Die "Titanic" will den Humor nicht verlieren.

Die Anteilnahme und der Schock haben bereits kurz nach dem Bekanntwerden des Attentats Ausdruck im Netz gefunden: „#JeSuisCharlie“ – ich bin Charlie – war der Begriff, den die Menschen am häufigsten über den Nachrichtendienst Twitter verschickten. Außerdem tauschten viele Nutzer in den sozialen Netzwerken ihre Profilbilder gegen den Spruch auf schwarzem Hintergrund, eine Karikatur aus dem attackierten Satiremagazin „Charlie Hebdo“ oder eine Frankreichflagge aus. Den Reaktionen gemein war das Entsetzen über das derart brutale Attentat mit zwölf Toten am Mittwoch in Paris. Die französischen Botschaften flaggten weltweit auf Halbmast.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den Anschlag auf das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo“ als „fürchterliche menschliche Tragödie“ bezeichnet.

"Wir haben den Propheten gerächt"

„Dies ist ein schwarzer Tag für die Meinungsfreiheit und eine lebhafte Presselandschaft“, erklärte Stephan Oberreit vom französischen Zweig der Menschenrechtsorganisation am Mittwoch in Brüssel. „Dies ist eine Gräueltat, die Journalisten töten, die Meinungsfreiheit unterdrücken und Angst säen sollte“, hieß es weiter. Die Meinungsfreiheit müsse auch für Sichtweisen gelten, die als beleidigend oder anstößig empfunden werden könnten. Bei dem Anschlag auf die Redaktion der durch ihre provokanten Mohammed-Karikaturen bekannten Zeitung waren am Mittwoch mindestens zwölf Menschen getötet und mindestens sieben weitere verletzt worden. Die schwer bewaffneten Täter riefen nach Angaben von Zeugen: „Wir haben den Propheten gerächt.“ Aufgrund dieser Tatsachen wird bisher von einem Anschlag mit islamistischem Hintergrund ausgegangen. Muslimische Organisationen und Verbände verurteilten die Taten. Die Arabische Liga (AL) und die Al-Ashar-Universität als wichtigste Autorität des sunnitischen Islams haben den „Terroranschlag“ auf „Charlie Hebdo“ am Mittwoch „mit Schärfe verurteilt“.

Der türkisch-islamische Verband Ditib erklärte, bei dem Attentat handele sich um einen Angriff auf die Menschheit. „Dies ist niederträchtig und absolut inakzeptabel“, erklärte die Organisation in Köln. Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) bezog ganz klar Stellung: „Verbrecher, die ihre brutalen Morde und Angriffe mit einer Religion begründen, sind genauso Mörder wie alle anders motivierten Verbrecher.“ Tatsächlich war im Internet kurz nach dem Attentat bereits eine Diskussion entbrannt. So schrieb beispielsweise der CDU-Bundestagsabgeordnete Charles M. Huber auf seiner Facebookseite: „Ich bin fassungslos – da muss sich niemand fragen, wie eine Bewegung wie Pegida entstehen kann“. Auf dieses Statement gab es einige kritische Reaktionen, aber auch zustimmende Kommentare. Viele erinnerten auch mit Zitaten an die Rede des ehemaligen norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg, der nach dem rechtsextremen Attentat von Utoya im Juli 2011 seine Mitbürger aufrief, auf den Anschlag mit „mehr Demokratie, mehr Menschlichkeit und mehr Offenheit“ zu reagieren.

Die Titanic will sich solidarisch zeigen

Journalisten, Satiriker und Karikaturisten reagierten ebenfalls geschockt auf den Anschlag. Tim Wolff, Chefredakteur des deutschen Satiremagazins „Titanic“, erklärte dem Tagesspiegel, man werde sich in der kommenden Ausgabe solidarisch mit „Charlie Hebdo“ zeigen. Allerdings müsse die Redaktion noch überlegen, in welcher Form dies stattfinden und wie eine angemessene Reaktion aussehen könne.
„Der Anschlag ist eine erschreckende Angelegenheit. Selten erfährt man als Satiriker so viel Mitgefühl wie heute“, sagte Wolff weiter. „Wie soll man so etwas schon beantworten? Höchstens mit mehr Satire. Wir versuchen natürlich, nicht den Humor zu verlieren.“ Bedenken bezüglich der Sicherheit seiner eigenen Redaktion äußerte Wolff indes nicht. Die „Titanic“ brauche keine Bodyguards, da sie „nicht einmal ansatzweise bedroht“ sei. Wolff begründete dies unter anderem mit dem satirischen Fokus des Magazins: „Wir machen nicht besonders oft Witze über den Propheten Mohammed; ich persönlich finde sie auch relativ langweilig.“ Stattdessen arbeite sich die ,Titanic‘ vielmehr an lebenden Personen ab – wie beispielsweise dem Papst. Dass der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ zudem länger geplant und organisiert war, scheint für Wolff klar. „Wenn man mit einem Raketenwerfer in eine Redaktion geht, na ja. Den bekommt man nicht gerade an der Straßenecke.“
Auch Klaus Staeck, Karikaturist und Präsident der Akademie der Künste in Berlin, äußerte sich entsetzt über das Ausmaß der Gewalt: „Satire legt sich immer mit den Stärksten an. Wenn man glaubt, Mohammed mit der Maschinenpistole verteidigen zu müssen, dann stimmt da etwas nicht.“ Staeck sprach sich aber auch eindeutig für weitere kritische und mutige Publikationen von Satirikern und Zeichnern aus: „Alle Karikaturisten wissen, dass sie mit einem gewissen Risiko leben. Wenn man als Karikaturist anfängt, bestimmte Religionen aus der Kritik herauszunehmen, kann man seinen Beruf aufgeben .“

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