zum Hauptinhalt
Massive Kritik erntet Putin wegen der Verurteilung Nawalnys-

© dpa

Reaktionen zum Fall Alexej Nawalny: "Europa muss Putin als Diktator behandeln"

Ein zynischer russischer Präsident und einer todkranker Rechtsstaat: Lesen Sie bei uns im Überblick, wie die Presse auf die Verurteilung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny in Moskau reagiert.

Die weltweite Presse reagiert geschockt bis verständnislos auf das Urteil gegen den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny. Ein Gericht in Russland hatte den Kreml-Kritiker am Donnerstag wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt. Der Richter begründete das Urteil mit der „Schwere des Verbrechens“. Die Staatsanwaltschaft kündigte am Abend überraschend Beschwerde gegen Nawalnys Festnahme im Gerichtssaal an und argumentierte, solange das Urteil nicht rechtskräftig sei, könne Nawalny unter Auflagen in Freiheit bleiben.

Frankreich
"Libération“:

„Es ist nicht gut, sich Wladimir Putin zu widersetzen. Alexej Nawalny ist das jüngste Opfer des ehemaligen KGB-Obersts, der keine Herausforderung seiner absoluten Macht duldet. (...) In Putins Russland stehen Justiz wie Polizei, Medien wie (das Parlament) Duma unter dem Befehl des Kreml wie in alten Zeiten der Sowjetunion. Russland ist kein Rechtsstaat. Wladimir Putin wird trotzdem von (Frankreichs Präsident) François Hollande wie ein respektabler Staatschef behandelt. Er ist bei G8-Gipfeln dabei neben westlichen Demokratien, deren Werte und Interessen er nicht teilt. Russland verteidigt und bewaffnet Damaskus und Teheran. Es ist höchste Zeit, dass Europa und Frankreich Putin als das behandeln, was er ist: als einen Diktator.“

Snowden als Putins nützlicher Idiot?

Dänemark
„Jyllands-Posten“:
„Der Prozess gegen Nawalny war eine Farce. Rechtsprinzipien wurden mit den Füßen getreten, die Verteidigung immer wieder abgewiesen, wenn sie Kritik am Vorgehen der Anklage anführte. In diesem Russland hat der NSA-Agent Edward Snowden Asyl beantragt. (...) Snowden sagte, er wolle nicht in einer Gesellschaft leben, in der der Sicherheitsdienst Bürger überwachen kann wie in den USA.

Das ist ein nobles Ideal (...), aber es klingt furchtbar hohl, nachdem Snowden Schutz in einem Staat gesucht hat, der wie im Fall von Nawalny seine Kritiker nicht bloß überwacht, abhört und zu Hause und im öffentlichen Raum filmt, sondern systematisch Repressalien gegen sie ausübt wie seit sowjetischen Zeiten nicht mehr. Was haben die selbst ernannten Menschenrechtler zu fünf Jahren Gefängnis für Nawalny zu sagen? Es sieht leider aus, als ob Snowden als Putins nützlicher Idiot endet.“

Schweiz
„Neue Zürcher Zeitung“:

„Wladimir Putin hat zur Genüge bewiesen, dass er keinerlei Skrupel hat, die Justiz gegen seine Gegner einzusetzen. Im Prozess in Kirow stand nie die Veruntreuung von Eigentum eines staatlichen Holzverarbeitungsunternehmens, sondern Alexei Nawalny als politische Figur im Vordergrund. (...) Putin bedient sich seit seinen Anfangstagen im Kreml der politischen Strafjustiz.

Mit der Verurteilung des Oligarchen Chodorkowski vor zehn Jahren lehrte er den Geldadel, sich aus der Politik herauszuhalten, und festigte dadurch seine Position. Als ein Jahrzehnt später eine protestierende Mittelschicht Putins Macht infrage stellte, wurden deren Exponenten, allen voran Alexei Nawalny, vor Gericht gestellt. Dabei geht Putin nicht nur rücksichtslos, sondern auch höchst zynisch vor.“

Niederlande
„De Telegraaf“:

„Die Art und Weise der Verurteilung des Oppositionsführers zu fünf Jahren Arbeitslager ist äußerst zwielichtig und riecht nach einem rein politischen Prozess mit dem alleinigen Ziel, eine kritische Stimme in Russland mundtot zu machen. Viele Russen, die sich Sorgen über die zunehmende Alleinherrschaft von Putin machen, hatten in den vergangenen Monaten Nawalnys kritische Angriffe auf die Politik des Präsidenten und die Bloßstellung der Korruption in mächtigen Kreisen Russlands durch den 37-Jährigen begrüßt. (...) Hoffentlich kann Nawalny noch durch ein Berufungsverfahren die Aufhebung seines Urteils erreichen. Doch das ändert nichts an der Feststellung, dass der russische Rechtsstaat todkrank ist.“

"Putin driftet ab"

Österreich
„Der Standard“:

„Natürlich wurde auch der Fall Nawalny vordergründig als Aufarbeitung eines Wirtschaftsdelikts inszeniert, doch trotz aller Betrugsvorwürfe bleibt es ein politischer Prozess. Dabei ging es nicht darum, Nawalny als Kandidaten bei der Bürgermeisterwahl in Moskau auszuschalten.

Da hätte er mit seinen radikalen und nationalistischen Losungen ohnehin keine Chance gehabt. Nawalny war vielmehr als Sprachrohr derjenigen, die das Ausmaß der Korruption unter Präsident Wladimir Putin geißelten, gefährlich geworden. Er hatte der Kremlpartei «Einiges Russland« das Label «Partei der Gauner und Diebe« angehängt.

Tschechien

„Lidove Noviny“: „Wenn jemand die Regierung und den autoritären Präsidenten kritisiert, Korruptionsfälle aufdeckt, die Menschen zur bürgerlichen Selbstverteidigung aufruft und dann zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wird, dann stinkt etwas. Das Urteil belegt, dass Russland Russland bleibt, ein Land, in dem jeder aus der Reihe tretende Einzelne eine gewatscht kriegt. Es ist bezeichnend, dass der beliebte Blogger und informelle Oppositionsführer Nawalny für ein Wirtschaftsdelikt verurteilt wurde.

Der Staat will ihn bei den Bürgern und seinen Anhängern in Misskredit bringen. Einem solchen Menschen soll man glauben, der Putin kritisiert und sich dabei selbst bereichert? Trotz allem fällt es schwer, in Nawalny ein Symbol einer starken Opposition, einen Kämpfer für ein besseres Russland oder den nächsten Präsidenten zu sehen. Kann eine Persönlichkeit diese Rolle erfüllen, die zwar gegen die Korruption ankämpft, aber ansonsten keinerlei gesellschaftliche Idee anzubieten hat?

Spanien

„El País“:

„Die Verurteilung zu fünf Jahren Haft von Alexej Nawalny, des Anwalts und Bloggers, der die Opposition gegen Putin anführt, hat gestern viele Protestreaktionen ausgelöst, nicht nur auf den Straßen Russlands, sondern auch seitens der internationalen Gemeinschaft.

Die russische Opposition, Menschenrechtsorganisationen, die EU und die Vereinigten Staaten erklärten, Nawalny sei Opfer eines politischen Prozesses ohne die nötigen juristischen Garantien gewesen. Der Einsatz der Gerichte gegen die Opposition wurde auch von Gorbatschow als «inakzeptabel« bezeichnet. Dieser Fall macht wieder das autoritäre Abdriften des russischen Präsidenten deutlich.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false