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© dpa

Realos gegen Fundis: Wie in alten Zeiten

Der Streit über den Afghanistan-Einsatz bei den Grünen provoziert offene Flügelkämpfe. Die Basis fühlt sich ausgeschlossen. Jürgen Trittin wittert seine Chance, sich als Anführer des linken Parteiflügels zu profilieren.

Von Hans Monath

Berlin - Seit Wochen debattieren die Grünen über die Haltung der Partei und ihrer Bundestagsabgeordneten zu den Afghanistan-Einsätzen der Bundeswehr, jetzt hat der traditionell linke Landesverband Nordrhein-Westfalen die Fraktionschefs Renate Künast und Fritz Kuhn heftig kritisiert: „Vorfestlegungen, wie wir sie in den letzten Tagen zunehmend aus der Presse entnehmen, sind aus unserer Sicht kontraproduktiv“, heißt es in einem Schreiben der NRW-Landeschefs Daniela Schneckenburger und Arndt Klocke an die Partei- und Fraktionschefs im Bund. Der Brief, der vor einer Entwertung des Afghanistan-Sonderparteitags Mitte September warnt, nennt Künast und Kuhn nicht namentlich. Beiden Fraktionschefs unterstellt die Parteilinke aber, sie wollten in jedem Fall sowohl für den Einsatz der Internationalen Stabilisierungstruppe (Isaf) als auch für den der deutschen Aufklärungstornados stimmen. Künast hat das in der Tat bereits angekündigt.

Weitgehend einig sind sich die Grünen, dass sie bei der Abstimmung über die Verlängerung der Bundeswehr-Mandate im Bundestag im Herbst gegen die Anti-Terror-Mission „Operation Enduring Freedom“ votieren wollen. Der linke Flügel lehnt im Gegensatz zu vielen Bundestagsabgeordneten und vielen Realpolitikern aber auch die Tornado-Einsätze ab. Weil die Bundesregierung aber den von vielen Grünen befürworteten Isaf-Einsatz und die Tornados in einem Antrag zur Abstimmung stellt, stehen viele Abgeordnete vor einem Dilemma.

Als die Tornados in diesem Frühjahr erstmals nach Afghanistan entsandt wurden, stimmte ein Großteil der Bundestagsfraktion für den Einsatz. Die Basis fühlte sich überfahren und berief den Sonderparteitag für Mitte September ein. Etliche der Initiatoren, die alle Bundeswehrtruppen vom Hindukusch abziehen wollen, rechneten sich in der Hauptsache wenig Erfolgschancen aus und wollten vor allem das Recht der Parteibasis auf Mitsprache in wichtigen Fragen durchsetzen.

Machtkampf um Spitzenkandidatur 2009

Inzwischen aber geht es im Streit um die Bundestagsentscheidung längst um mehr als nur um einen möglichen Abschied der Grünen von außenpolitischer Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Im Ringen um die Haltung zu denTornados sehen viele Grüne einen Machtkampf um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2009. Als entscheidende Figur der Parteilinken gilt vielen Vizefraktionschef Jürgen Trittin, der sich noch nicht auf ein Abstimmungsverhalten festgelegt hat.

Sofern es nicht zu einem Kompromiss kommt, könnte auch die über mehrere Jahre bewährte Abstimmung zwischen den beiden Parteiflügeln gefährdet sein, was offene Auseinandersetzungen wie in alten Zeiten provozieren würde. Auf der Fraktionsklausur in Hamburg hatte Trittin Parteichef Reinhard Bütikofer vorgeworfen, er arbeite nur vordergründig an einem Kompromiss, habe aber heimlich an einem Realo-Antrag mitgewirkt.

„Es bringt gar nichts, etwas aufzubauschen, was diese Aufregung nicht verdient“, sagte Bütikofer dazu dem Tagesspiegel am Sonntag. Er habe lediglich geraten, unnötige Spitzen gegen die Parteilinke herauszustreichen, nachdem das Papier schon fertig war. In der Diskussion der Fraktion seien sich „die allermeisten“ in einem Punkt einig gewesen, sagte Bütikofer: „Die eigentliche Botschaft des Sonderparteitags muss lauten, dass wir den Isaf-Einsatz unterstützen und ihn nicht infrage stellen.“ Er sei optimistisch, dass es noch gelingen werde, diese Übereinstimmung „in gemeinsames Vorgehen umzusetzen“.

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