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Im Berliner Tempodrom war vor einigen Monaten die Begeisterung groß.

© picture alliance / dpa

Recep Tayyip Erdogan zu Besuch: Der türkische Premier will auf jeden Fall nach Köln

Der türkische Regierungschef Erdogan hält an seinem umstrittenen Auftritt in Köln fest. Denn er braucht die Stimmen der in Deutschland lebenden Türken für ein klares Mandat bei der Wahl zum Präsidenten.

Die türkische Regierung sieht keinen Grund für eine Absage des Köln-Besuches von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Wochenende. Im Ministerpräsidentenamt von Ankara hieß es am Dienstag, Erdogan werde wie geplant nach Deutschland reisen. In Köln will Erdogan am Samstag bei einer Rede vor zehntausenden Zuhörern um Stimmen bei der Präsidentenwahl im August werben. In Ankara übernahm der 60-Jährige unterdessen die politische Verantwortung für das Grubenunglück von Soma, griff seine Kritiker und die ausländischen Medien zugleich aber scharf an und bezeichnete sie als „Grabräuber“.

Kehrtwende zu Soma

In einer Rede vor der Parlamentsfraktion der AKP sagte Erdogan, als Ministerpräsident sei er für alles verantwortlich, selbst „für ein Schaf, das am Ufer des Tigris von einem Wolf gerissen wird“. Die Schuldigen für den Tod von 301 Bergleuten in Soma würden zur Rechenschaft gezogen. Im Gegensatz zu Äußerungen in der vergangenen Woche, als er Bergwerksunglücke als normal bezeichnete, kündigte er nun schärfere Kontrollen und andere „notwendige Lehren“ aus der Katastrophe an.

Gleichzeitig ging Erdogan zum Angriff auf seine Kritiker über. Er warf Zeitungskolumnisten regierungskritischer Blätter vor, die Opfer von Soma verhöhnt zu haben. Ausländische Medien hätten „falsche und manipulierte Nachrichten“ über das Unglück verbreitet. „Das werden wir nicht hinnehmen.“ Im Internet haben Erdogan-Unterstützer eine Kampagne gegen den Türkei-Korrespondenten des „Spiegel“, Hasnain Kazim, gestartet, weil dieser in einer Überschrift einen Bergarbeiter mit dem Satz zitierte hatte: „Scher’ dich zum Teufel, Erdogan“. Kazim berichtet von einer „Hasskampagne“ und Morddrohungen.

Organisierte Einmischung?

Nicht nur einzelne deutsche Reporter werden angefeindet. Ibrahim Karagül, Chefredakteur der Erdogan-treuen Tageszeitung „Yeni Safak“, warf Deutschland in einer Kolumne vor, die Regierung in Ankara stürzen zu wollen. Schon bei den Gezi-Unruhen des vergangenen Jahres sei der „deutsche Einfluss“ spürbar gewesen. Karagül vetrat die auch bei anderen Regierungsanhängern verbreitete These, Deutschland und andere westliche Länder störten sich am Aufstieg der Türkei unter Erdogan und versuchten deshalb, den Ministerpräsidenten zu schwächen. Die Bundesrepublik betreibe eine „organisierte geheimdienstliche Einmischung“, die zu einer ernsten Bedrohung der nationalen Sicherheit der Türkei geworden sei.

Kein Treffen mit Merkel

Aus dem Ministerpräsidentenamt in Ankara verlautete, Erdogan werde bei seinem eintägigen Besuch in Deutschland am Samstag auch politische Gespräche führen. Einzelheiten stünden aber noch nicht fest. Die Zeitung „Hürriyet“ berichtete, ein ursprünglich angedachtes Gespräch Erdogans mit Bundeskanzlerin Angela Merkel komme nicht zustande. Grund seien Terminschwierigkeiten. Merkel und Erdogan hatten sich zuletzt im Februar in Berlin getroffen.

1,5 Millionen Wähler

Für Erdogan sind die rund 1,5 Millionen türkischen Wähler in Deutschland – die mit Abstand größte Gruppe unter den rund fünf Millionen im Ausland lebenden Türken – bei der Präsidentenwahl am 10. August von hoher Bedeutung. Die Auslandstürken können bei der ersten Direktwahl des türkischen Staatsoberhauptes zum ersten Mal an ihren Wohnorten abstimmen. Bei Wahlen in der Vergangenheit mussten sie in die Türkei reisen, um ihre Stimme abgeben zu können, weshalb die Wahlbeteiligung der Auslandstürken auf unter zehn Prozent sank.

In diesem Jahr wird eine hohe Beteiligung unter den mehrheitlich konservativen Wählern im Ausland erwartet. Für Erdogan bedeutet dies eine große Chance. Der Ministerpräsident hat angekündigt, im Falle eines Sieges alle Vollmachten des Präsidentenamtes zu nutzen, darunter das Recht, Kabinettssitzungen zu leiten: Erdogan will als Staatschef das Land regieren, nicht nur repräsentieren. Dazu braucht er ein klares Mandat der Wähler und einen Sieg in der ersten Runde. Sollte er gezwungen werden, am 24. August in einer zweiten Runde anzutreten, könnte er sich kaum auf einen klaren Wählerauftrag berufen. Deshalb sind die türkischen Wähler in Deutschland für Erdogan so bedeutend.

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