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Politik: Rechnung aus Brüssel

Die Kommission soll weitere Aufgaben übernehmen und fordert dafür mehr Geld – die Nettozahler wehren sich

Die große Finanzschlacht der erweiterten Europäischen Union kann beginnen. Den offiziellen Startschuss für die hoch brisante Auseinandersetzung, bei der es um sehr viel Geld geht, gab die EU-Kommission am Dienstag im Europäischen Parlament in Straßburg mit der Vorstellung ihrer ,,Finanziellen Vorausschau 2007 bis 2013. Der Kampf um die Brüsseler Fleischtöpfe, der immer auch ein Machtkampf ist, wird die Regierungen vermutlich weit bis ins Jahr 2006 beschäftigen – Ausgang offen.

Bei der ,,Finanziellen Vorausschau" handelt es sich um die ersten Vorschläge der EU-Kommission zur mittelfristigen Finanzplanung der Jahre 2007 bis 2013. Wie viel Geld kann die EU ausgeben? In welche Politikbereiche sollen wie viele Mittel fließen? Wie viele Agrar- und Strukturhilfen können die neuen Mitgliedstaaten erhalten? Wenige Wochen vor der Aufnahme der zehn neuen Mitglieder in die EU trugen die Brüsseler Finanzplaner zur Ernüchterung bei: Sie präsentierten den Regierungen die Rechnung für ihre großzügige Politik. Um die politischen Versprechungen aus den Beitrittsverhandlungen einlösen zu können, braucht die EU mehr Geld. Die 15 Staats- und Regierungschefs hatten versprochen, dass die wirtschaftsschwachen osteuropäischen Staaten zügig die im Westen üblichen Agrar- und Strukturhilfen aus der Brüsseler Kasse erhalten. Gleichzeitig aber haben Deutschland und Frankreich im Oktober 2002 einen Agrarkompromiss beschlossen, der auch den alten Mitgliedstaaten großzügige Subventionen garantiert.

Doch damit nicht genug: Die Mitgliedstaaten haben der EU neue Aufgaben zuwiesen, die sich zusätzlich im Haushalt niederschlagen. Wer den dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt schaffen will, die Forschung wieder an die Weltspitze bringen, das Verkehrsnetz ausbauen, die Außengrenzen der EU schützen und weltweit eine gemeinsame Außenpolitik betreiben will, der muss auch die Mittel dafür bereitstellen, meint EU-Kommissionschef Romano Prodi. Sein Vorschlag sieht deshalb vor, dass die EU bis 2013 nach und nach den Finanzrahmen nutzt, der schon vor zehn Jahren abgesteckt, aber nie ausgeschöpft wurde. Für die Finanzplanung 2000 bis 2006 wurde die Ausgabenobergrenze von 1,24 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNP) festgesetzt. Tatsächlich sparte Brüssel aber mehr als geplant und nutzte diesen Spielraum nie. So sieht der Haushalt für 2004 Ausgaben in Höhe von knapp 100 Milliarden vor. Das entspricht gerade einmal 0,98 Prozent des europäischen BNP. Wenn es nach dem Willen der so genannten Nettozahler geht, soll es auch dabei bleiben.

Auch wenn ab 1. Mai zehn weitere Mitglieder der EU angehören, deren Wirtschaftskraft weit unter dem Durchschnitt der alten EU liegt, soll die EU nicht mehr als ein Prozent ihres Bruttonationalprodukts (BNP) ausgeben, forderten sechs ,,Nettozahler" in einem Brief an Prodi Mitte Dezember. Inzwischen, so heißt es aus deutschen Kreisen, sei die Sparer-Koalition auf zehn Mitgliedstaaten angewachsen. In Berlin setzt man auf das Prinzip Hoffnung: Wenn das Wirtschaftswachstum wieder anziehe, komme auch bei einer Deckelung der Ausgaben bei einem Prozent des BNP ausreichend Geld in die EU-Kasse. Außerdem, so rechnen die deutschen Finanzexperten vor, entstehen im EU-Haushalt regelmäßig Überschüsse, weil viele eingeplante Gelder nicht abgerufen werden. Sie fließen in die Haushalte der Mitgliedstaaten zurück. In der vergangenen Planungsperiode sei auf diese Weise ein Überschuss in Höhe eines ganzen Jahreshaushalts – rund 105 Milliarden Euro – zusammengekommen. Der EU-Haushalt könne also durchaus knapper geplant werden, meint man in Berlin.

In Brüssel hält man das für eine Milchmädchenrechnung. Dass sich Hans Eichels Finanzexperten bei der Berechungen des deutschen Haushaltsdefizits in den vergangenen Monaten so oft getäuscht hatten – zu ihren Gunsten natürlich – trägt in Brüssel nicht gerade dazu bei, den deutschen Prognosen zu vertrauen. Angesichts der Wohlstandskluft zwischen alten und neuen EU-Mitgliedstaaten hält die EU-Kommission Mehrausgaben für unumgänglich.

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