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Politik: Rechte Gewalt: 1997

Der Vietnamese Phan Van Toau wird am 31. Januar 1997 am Bahnhof von Fredersdorf (Brandenburg) von einem Deutschen hochgehoben und mit dem Kopf nach unten auf den Betonboden geworfen.

Der Vietnamese Phan Van Toau wird am 31. Januar 1997 am Bahnhof von Fredersdorf (Brandenburg) von einem Deutschen hochgehoben und mit dem Kopf nach unten auf den Betonboden geworfen. Das 42-jährige Opfer stirbt drei Monate später in einer Rehabilitationsklinik. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) klagt den 30 Jahre alten Täter wegen Mordes an und bescheinigt ihm "Ausländerhass" als Motiv. Im Prozess am Landgericht Frankfurt (Oder) äußert der Schläger auch rassistische Parolen wie "Fidschis raus aus Deutschland". Dennoch ist die Tat nach Ansicht der 5. Strafkammer "nicht von Ausländerfeindlichkeit getragen". Der Angeklagte wird wegen Totschlags zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt, ein Mitangeklagter (37) erhält ein Jahr auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung.

Der 17-jährige Punk Frank Böttcher wird am 8. Februar 1997 in Magdeburg von einem Gleichaltrigen mit Springerstiefeln getreten; als das Opfer am Boden liegt, stößt ihm der Täter mehrmals ein Butterfly-Messer in den Rücken. Böttcher stirbt im Krankenhaus. Das Magdeburger Landgericht verurteilt den 17-jährigen Täter, der zur rechtsextremen Skinhead-Szene in Magdeburg zählt, im Juni 1997 zu sieben Jahren Jugendstrafe wegen Totschlags.

Der 37 Jahre alte Italiener Antonio Melis wird am 13. Februar 1997 in Caputh (Brandenburg) von einem 18-jährigen Deutschen in der Havel ertränkt. Zuvor hat dieser gemeinsam mit einem 25 Jahre alten Kumpan das Opfer durch Schläge und Tritte schwer misshandelt. Polizei, Staatsanwaltschaft und Landgericht Potsdam können kein fremdenfeindliches Motiv erkennen, obwohl mehrere Zeugen den Medien von rassistischen Sprüchen des älteren Täters berichten - die noch zugenommen hätten, als seine Freundin zu einem ausländischen Kollegen von Antonio Melis wechselte. Das Gericht verurteilt den älteren Schläger zu 13 Jahren Haft, der jüngere erhält acht Jahre Jugendstrafe.

Der Berliner Neonazi Kay Diesner erschiesst am 23. Februar 1997 auf dem Autobahn-Parkplatz Roseburg (Schleswig-Holstein) den Polizisten Stefan Grage. Sein Kollege wird von dem Rechtsextremisten schwer verletzt. Diesner befindet sich auf der Flucht, nachdem er vier Tage zuvor in Berlin-Marzahn den Buchhändler Klaus Baltruschat angeschossen hat. Das Landgericht Lübeck verurteilt den Neonazi in zwei Verfahren jedes Mal wegen Mordes zu lebenslanger Haft und bescheinigt ihm eine besondere Schwere der Schuld. Die Strafkammern sagen in ihren Urteilen, in den Taten des Neonazis komme die "niedrigste Stufe menschlicher Gesinnung" beziehungsweise eine "grundsätzlich menschenfeindliche Gesinnung" zum Ausdruck.

Nach einem Polterabend der rechten Szene ersticht ein Neonazi in der Nacht zum 17. April 1997 in Berlin-Treptow die zwei "Kameraden" Chris Danneil (31) und Olaf Schmidke (26). Dem Gewaltexzess geht ein banaler Streit voraus: Der aus Berlin stammende Täter und ein Kumpan können sich mit den beiden Neonazis aus Sachsen-Anhalt nicht einigen, wann die rechtsextreme FAP vom Bundesinnenminister verboten worden ist. Das Landgericht Berlin verurteilt den 33-jährigen Messerstecher zu 14 Jahren Haft, der 27 Jahre alte Mittäter bekommt zweieinhalb Jahre.

Vier junge Männer entführen am 22. April 1997 in Sassnitz (Mecklenburg-Vorpommern) den Arbeitslosen Horst Gens. Der 50 Jahre alte Mann wird geschlagen und in einen Straßengraben geworfen. Die Täter kommen später nochmal vorbei und erschlagen G. mit einem 30 Kilogramm schweren Stein. Der Staatsanwaltschaft Stralsund berichten die 18 bis 29 Jahre alten Täter, sie wollten "Assis klatschen". Das Landgericht Stralsund verurteilt die Schläger wegen Mordes zu Jugendstrafen zwischen sechs und zehn Jahren.

Der arbeitslose Augustin Blotzki wird am 8. Mai 1997 in Königs Wusterhausen (Brandenburg) von einer Clique junger Rechtsextremisten zu Tode geprügelt. Die Täter überfallen den 59-Jährigen zwei Mal innerhalb weniger Stunden in seiner Wohnung. Der Mann wird geprügelt und wegen seines Namens als "Bulgarensau" und "Ausländerschwein" beschimpft. Das Landgericht Potsdam verurteilt drei Täter wegen Mordes zu Haftstrafen zwischen achteinhalb und 14 Jahren. Zwei Jugendliche erhalten vier beziehungsweise sechseinhalb Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Die Strafkammer bescheinigt den Tätern Hass, Menschenverachtung und eine diffuse Ausländerfeindlichkeit.

Der 39-Jährige Mathias S. wird am 23. September 1997 in Cottbus von dem 19-jährigen Skinhead Reinhold K. erstochen. S. hatte seinen Mörder als "Nazi-Sau" bezeichnet. Vier Tage später tötet der Skin den 46-jährigen Georg V.; das Motiv sind geringfügige Geldschulden. Der Verfassungsschutz nennt K. einen "extrem aggressiven Einzelgänger, der seine rechtsextremistischen Ansichten offen kundtat". Das Landgericht Cottbus sieht keinen rechtsradikalen Hintergrund. K. wird am 24. März 1998 wegen zweifachen Totschlags zu acht Jahren Jugendhaft verurteilt.

Der Rentner Josef Anton Gera stirbt am 17. Oktober 1997 mit 59 Jahren an schweren inneren Verletzungen. Der 26-jährige Skinhead Patrik K. und der 35-jährige Uwe K. haben dem Rentner drei Tage zuvor mit einem Stahlrohr tödliche Verletzungen zugefügt. Vor seinem Tod beschreibt Gera seine Mörder: "Vier Rechtsradikale"" Vor der Tat sind die beiden durch "Sieg Heil-Rufe" aufgefallen. Das Landgericht Bochum verurteilt die Täter im Frühjahr 1998 zu fünf und sechs Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Einen rechtsextremen Hintergrund schließt der Staatsanwalt mit Verweis auf die schwere Alkoholabhängigkeit der Täter aus.

Diese Chronik wurde zusammengestellt von Karl-Hein

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