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Politik: Rechte Kriminalität auf neuem Höchststand

Innenbehörden registrieren mehr als 12 000 Straftaten / Fremdenfeindliche Motive in jedem sechsten Fall

Von Matthias Meisner

Berlin - Die rechtsextreme Kriminalität ist in Deutschland ein Problem wie seit Jahren nicht mehr. Im vergangenen Jahr wurden 12 240 rechts motivierte Straftaten von den Behörden registriert. Darunter waren 8738 Propagandadelikte sowie 726 Gewalttaten, bei denen 522 Menschen verletzt worden. Das geht aus den jetzt vollständig vorliegenden Antworten des Bundesinnenministeriums auf die parlamentarischen Anfragen von Petra Pau, Vizechefin der Linksfraktion, hervor. Bei etwa jeder sechsten der registrierten Straftaten wurde ein fremdenfeindliches Motiv festgestellt.

Auch das Innenministerium stellt sich inzwischen darauf ein, dass die rechte Kriminalität auf dem höchsten Stand seit sechs Jahren ist, als die Systematik der Erfassung geändert wurde. Die Zahlen werden aber als vorläufig bezeichnet: Regelmäßig weist das Ministerium darauf hin, dass sich die Zahl der mitgeteilten Straftaten aufgrund von Nachmeldungen noch erheblich verändern können. Die Erfahrungen zeigen, dass die endgültigen Daten häufig – so für die Jahre 2004 und 2005 – um mehr als 50 Prozent über den vorläufigen Meldungen lagen.

Gewiss ist: Der Trend geht nach oben. Das kann verschiedene Gründe haben. Neben einem tatsächlichen Anstieg der rechten Kriminalität scheint auch möglich, dass die Polizei bei der Bewertung sensibler geworden ist. Andererseits gehen die Fachleute besonders für Ostdeutschland davon aus, dass es weiterhin eine hohe Dunkelziffer gibt, weil sich Opfer nicht trauen, Überfälle zu melden. In allen Fällen rechter Kriminalität 2006 wurden insgesamt 7427 Tatverdächtige ermittelt. 857 von ihnen wurden vorläufig festgenommen, Haftbefehl erging in 31 Fällen.

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, sprach von einem „eindeutigen Trend nach oben“. Er nannte es „sehr verdienstvoll“, dass Polizei und Justiz „sensibler mit dem Thema umgehen“, kritisierte zugleich aber, dass sich die Bundesregierung dem Problem kaum stelle. Vor allem die zuständige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) tue nichts für ein gesamtgesellschaftliches Konzept gegen Rechtsextremismus, die Politik behindere zivilgesellschaftliche Initiativen mehr, als dass sie sie unterstütze. „Ein ,Weiter so wie bisher‘ angesichts dieser Zahlen halte ich für extrem gefährlich“, sagte Kramer dem Tagesspiegel.

Die Vizechefin der Linkspartei/PDS, Katina Schubert, sagte, Rechtsextremismus müsse gesellschaftlich geächtet werden: „Rechtsextremistisch motivierte Propaganda- und Gewaltdelikte sind keine Jugendsünden und dürfen nicht verharmlost werden.“ Schubert thematisierte auch die Aktivitäten von Rechtsextremisten im Internet. Immer mehr Provider würden inzwischen aber Nazi-Seiten sperren. Zuvor hatte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, seine Forderung nach einem Gesetz zu heimlichen Online-Durchsuchungen auch damit begründet, dass das Internet eine wichtige Rolle bei der Verbreitung rechtsextremistischer Propaganda spiele.

Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte, die Zahlen machten klar, das rechtsextrem motivierte Straf- und Gewalttaten zu einem „dauerhaften Problem“ geworden seien. Sie forderte die Bundesregierung auf, sich für die dauerhafte Bekämpfung des Rechtsextremismus stark zu machen. Auch Roth vermutete, dass Polizei und Ermittlungsbehörden im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft rechtsextreme Straftaten intensiver registriert haben. Sie nannte das konsequent, fügte aber an, dass die Dunkelziffern der Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer Gewalt „noch viel erschreckender“ seien.

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