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Rechte Musik: Hip-Hop mit Braunton

Rechtsextreme Bands nutzen mit Hip-Hop einen Musikstil, den sie eigentlich verachten. Doch um ihre NS-Propaganda zu verbreiten, ist auch dieses Mittel recht.

Von Matthias Meisner

Sie heißen „n’Socialist Soundsystem“, „Natürlich“ oder „Sprachgesang zum Untergang“ – und irgendwie scheint da etwas in Mode zu kommen. Neue Hip-Hop-Bands, nur eben welche von Neonazis. „Ja, die gibt es“, erläutert die Internetplattform „Netz gegen Nazis“ einem womöglich noch staunenden Publikum: „Sie stehen für die anhaltende Modernisierung der rechtsextremen Szene und sorgen für Gesprächsstoff – auch innerhalb der Neonazi-Bewegung.“

Dabei ist das Phänomen nicht völlig neu. 2003 legte die Dessauer Band „Dissau Crime“ ihr Erstlingsalbum „Zyklon D“ auf, mit Liedern gegen die „verfickte Drecksgesellschaft“, in der „ja doch nur die Kohle“ zähle, und „alle Bonzen-, Millionärs- und Drecksgesichter“. Oder „,SS’ heißt Schutzstaffel, ich sage ,Heil Dissau’“. Ausweislich des Internetauftritts der Band wurde das Album 2005 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert, Aufführung, Vertrieb und sogar der Besitz seien strafbar. Die Landeszentrale für politische Bildung in Brandenburg warnte unter Hinweis auf „Dissau Crime“ davor, die Entwicklung zu unterschätzen und die Gefahren etwa unter Hinweis auf fehlendes musikalisches Können herunterzuspielen. Schließlich habe auch der herkömmliche Rechtsrock – Bands wie die „Böhsen Onkelz“ oder die Neonazi-Stars von „Landser“ – mit „sehr fragwürdigen musikalischen Qualitäten begonnen“.

Von „Dissau Crime“ ist seit Jahren nichts mehr Neues zu hören, doch eine ganze Reihe von anderen Bands sind an ihre Stelle getreten. Experten sagen, dass viele der rechtsextremen Hip-Hop-Projekte „nur“ Nebenprodukte bekannter Rechtsrockbands seien. Das betrifft zum Beispiel auch „Natürlich“ aus Potsdam, produziert von der Potsdamer Naziband „Cynic“. Stücke mit eindeutig nationalsozialistischen Inhalten machen Blogger im Internet aus, zitieren etwa aus dem Song „Setz dich zur Wehr“: „Nationaler Sozialismus jetzt jetzt jetzt! Auf die Straße deutsches Volk, denn es geht dir schlecht. (…) Setz dich zur Wehr gegen die Demokraten, die dich benutzen jeden Tag.“

Inzwischen hat auch der Verfassungsschutz die Entwicklung in den Blick genommen. Artur Hertwig, Direktor beim Bundesamt in Köln, sagt, seine Behörde beobachte seit Anfang 2010, „dass sich langjährig aktive rechtsextremistische Musiker nachhaltig mit dem Musikstil des Hip-Hop beschäftigen“. Unbedingt zu erwarten war das nicht, denn dieser Musikstil sei bislang „wegen seines afroamerikanischen Ursprungs bei Rechtsextremisten eher verpönt“ gewesen. Doch, erläutert Hertwig: „Die Reaktionen innerhalb der rechtsextremistischen Szene auf veröffentlichte Tonträger und zu den bisherigen Konzertauftritten entsprechender Bands zeigen, dass dieses Genre durchaus positive Resonanz und Akzeptanz bei jungen Rechtsextremisten findet.“

Verbreitet wird die Musik über Schüler-CDs, vielfach auch im Internet. Dort lassen sich Videos herunterladen, etwa von „n’Socialist Soundsystem“, einem Hip-Hop-Projekt der süddeutschen Rechtsrockband „Häretiker“. Erobert werden müsse, so die Mission, alles, „was längst schon in national-sozialer Hand sein müsste“. Die Band gilt laut „Netz gegen Nazis“ für viele als „erstes ernsthaftes NS-Hip-Hop-Projekt“. Derweil treten die Musiker zwar auf wie Hip-Hopper, ihr Video entstand vor Betonkulissen. Die Musiker selbst geben zu, den Rap nur als Mittel zum Zweck zu sehen. Ein Lied heißt „Shice auf Hip-Hop“. Und in einem Interview sagte ein Bandmitglied: „Wir sehen uns nicht als Hip-Hopper oder als irgendwelche Ghettokids oder sonstigen Dreck und somit haben wir auch mit dieser Subkultur nix am Hut.“

Wird sich die Sache etablieren? „Zumindest in einem kleinen Bereich“, meint Verfassungsschutzdirektor Hertwig. Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar aus Sachsen, Rechtsextremismus-Expertin ihrer Fraktion, erklärt dem Tagesspiegel: „Die Vereinnahmung des Hip-Hop muss ernst genommen werden.“ Gerade er, der aus den schwarzen Armenvierteln der USA stamme, „gilt aufgrund seiner Ursprünge bei jungen Menschen als unverdächtig für neonazistisches Gedankengut, sodass viele ahnungslos einschlägige Konzerte besuchen und so in die Szene rutschen können“. Indizierungen könnten angeregt werden. „Das Problem ist nur, dass strafbare Tonträger häufig bewusst im Ausland hergestellt und unbemerkt online in Deutschland vermarktet werden.“ Lazars Tipp an alle Demokraten: Selbst gute Musik machen. „Dazu gehört auch guter nicht-rechter Hip-Hop, bei dem aber bewusst auf Gewaltverherrlichung und Sexismus verzichtet werden muss.“

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