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Politik: Rechte Täter, aber keine rechte Gewalt

In Leipzig stehen nach dem Tod eines Irakers zwei Männer vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft geht nur noch von Totschlag aus

Von Frank Jansen

Berlin - Der Fall erinnert an typisch rechte Gewaltverbrechen, doch die Bewertung ist kontrovers. Kommenden Freitag beginnt am Landgericht Leipzig der Prozess zum Tod des Irakers Kamal Kilade, den in der Nacht zum 24. Oktober 2010 zwei mutmaßliche Rechtsextremisten attackierten. Das Verbrechen hat über Sachsen hinaus Aufsehen erregt. Vor der Beerdigung des 19-Jährigen, der aus einer koptischen Familie stammte, protestierten Demonstranten in Leipzig gegen braune Gewalt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Marcus E. (33) vor, er habe den Iraker am Willy-Brandt-Platz in Leipzig geschlagen und ihm einen tödlichen Messerstich versetzt. Auch der Mitangeklagte Daniel K. (29) soll Kilade traktiert haben, doch K. wird nicht für dessen Tod verantwortlich gemacht. Die Ankläger sehen kein ausländerfeindliches Motiv. Das wirft Fragen auf, zumal die Staatsanwaltschaft den Fall zunächst anders bewertet hatte.

Sicherheitskreise schildern den Tatablauf so: Marcus E. und Daniel K. greifen Kilade im Park am Willy-Brandt-Platz grundlos an. Beide Männer schlagen den Iraker, Daniel K. sprüht ihm Pfefferspray ins Gesicht und wirft ihn in ein Gebüsch. Ein Bekannter Kilades will dem Opfer helfen, doch Marcus E. droht mit einem Messer. Der Iraker wird weiter geprügelt, dann sticht ihm Marcus E. in den Bauch. Kilade rappelt sich auf, läuft kurz und bricht zusammen. Die Polizei nimmt Marcus E. und Daniel K. in der Nähe des Tatorts fest. Kilade stirbt später im Uniklinikum.

Am nächsten Tag erlässt das Amtsgericht Leipzig auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen Marcus E. und Daniel K. Haftbefehle, sie lauten auf Mord. Beide Beschuldigten hätten den Iraker angegriffen, „weil er ausländischer Abstammung war“, zitiert ein Sicherheitsexperte aus den Haftbefehlen. Das Amtsgericht begründet den dringenden Tatverdacht mit den Aussagen des Bekannten von Kilade und weiterer Augenzeugen. Doch Anfang Februar präsentiert die Staatsanwaltschaft eine Anklage, in der Mord ausgeschlossen wird, ebenso ein ausländerfeindliches Motiv. Obwohl die Zeugen ihre Angaben nicht geändert haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft Marcus E. nun Totschlag vor und beiden Angeklagten gefährliche Körperverletzung. Daniel K. ist schon seit Dezember 2010 auf freiem Fuß – obwohl er zur Tatzeit unter Bewährung stand, wegen Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung. Auch E. ist einschlägig vorbestraft. Nach Informationen des Tagesspiegels sind beide mit NS-Symbolen tätowiert.

Der Anfangsverdacht auf einen ausländerfeindlichen Mord habe sich nicht bestätigt, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Zeugen hätten keine Aussagen über ausländerfeindliche Sprüche gemacht. Dennoch habe die Staatsanwaltschaft erst mal angesichts der Konstellation „beide Täter aus dem rechten Spektrum und ein ausländisches Opfer“ ein ausländerfeindliches Tatmotiv vermutet. Doch dann habe man auf die „Verurteilungswahrscheinlichkeit“ schauen müssen, sagt der Sprecher.

Für die Linksfraktion im sächsischen Landtag handelt es sich „um eine Tat aus einer rassistischen Motivation“, wie die Abgeordnete Kerstin Köditz sagt. Aus ihrer Sicht gehört der Fall Kilade in die von Tagesspiegel und „Zeit“ im September 2010 veröffentlichte Liste mit Todesopfern rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung. Als Köditz die Landesregierung im Januar fragte, wie viele solcher Todesopfer es 2010 in Sachsen gegeben habe, lautete die Antwort, es seien keine derartigen Tötungsdelikte bekannt geworden.

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