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Das Volksbegehren läuft noch bis zum 27. Oktober.

© Peter Kneffel/dpa

Volksbegehren mit geringen Erfolgschancen: Rechte wollen einen neuen Landtag in Bayern

Das „Bündnis Landtag abberufen“ im Freistaat Bayern wird von der AfD und Querdenkern unterstützt. Die Beteiligung an der Abstimmung ist bislang gering.

Die Rathäuser in ganz Bayern sind geöffnet für ein Volksbegehren, das es so im Freistaat noch nie gegeben hat: Bürger können sich in Unterschriftenlisten eintragen für die Forderung, den Landtag abzuberufen. Die Initiatoren gehören der so genannten Querdenker- Szene gegen die Corona-Politik an. „Bündnis Landtag abberufen“, nennt sich die Gruppe. Auch die bayerische AfD unterstützt das Vorhaben.

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Der Antrag ist kurz und beruft sich auf die bayerische Verfassung. Gemäß Artikel 18 ist auf Antrag von einer Million Stimmberechtigten „ein Volksentscheid über die Abberufung des Landtags herbeizuführen“.

Das notwendige Quorum für die Unterschriftenlisten wurde erreicht: 29.000 Bürger haben dies unterstützt, 25.000 wären nötig gewesen.

Rechte nutzen Mittel der direkten Demokratie

Bis zum 27. Oktober liegen die Listen aus, die Erfolgsaussichten werden als gering angesehen. In der Stadt München etwa haben sich nach fünf Tagen 0,28 Prozent der Stimmberechtigten eingetragen, das sind 2592 Bürgerinnen und Bürger. Bei anderen Volksbegehren wie jenem für mehr Artenschutz („Rettet die Bienen“) lag die Zahl zu diesem Zeitpunkt um das Zwanzigfache höher.

Dennoch ist von Interesse, dass eine solche Gruppierung versucht, dieses Mittel der direkten Demokratie zu nutzen. Auf den Werbeplakaten des Bündnisses ist ein geteiltes orangefarbenes Herz abgebildet – es soll wohl durch die Abberufung des Landtags und Neuwahlen wieder zusammengefügt werden.

Auf der Homepage ist viel die Rede von „Freiheit“ und „Respekt“. Holprig wird gereimt: „Es geht um meine Würde, es braucht Zusammenhalt, Zivilcourage ist keine Bürde, es braucht keine Gewalt!“ Und es wird typisches Querdenker-Gedankengut verbreitet wie etwa die Aussage, dass die bayerischen Corona-Maßnahmen „totalitär anmuten“ würden. Außerdem wird ein „unabhängiger Untersuchungsausschuss“ zur Aufklärung der Corona-Umstände gefordert.

Eine Plattform für Corona-Leugner

Nicht nur Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht „ganz eindeutig“ Querdenker dahinter. Auch für Initiativen wie „Endstation rechts“ von der SPD ist dies offenkundig: Auf Querdenker-Demos werde massiv für das Vorhaben geworben.

Karl Hilz, der Vize-Beauftragte des Volksbegehrens, ist ein pensionierter Polizist und bekannter Corona-Leugner.

Im bayerischen Verfassungsschutzbericht steht über ihn, er versuche, „eine systematische Störung der Funktionsfähigkeit des Staates herbeizuführen“. Und Jan-Christoph Münch, Pressesprecher des Bündnisses und ehemaliger Bundeswehr-Offizier, schreibt im Online-Magazin „Rubikon“, das als Plattform von Verschwörungsideologen und Corona-Leugnern angesehen wird.

Unter der Woche, 18 Uhr in der Stadtkämmerei München, ein Eintragungsort im Zentrum. Zehn Tische sind für Unterzeichner aufgestellt, acht Rathaus-Mitarbeiter vor Ort. 20 Minuten lang kommt niemand. Dann sammelt sich eine Gruppe von Menschen vor dem roten Backsteinbau, ein gutes Dutzend, mehr Frauen als Männer, und kommt herein.

Am Ausgang sagen sie, dass sie „ganz normale Bürger“ seien, die sich „gegen die Corona-Politik“ wehrten. Aber keine „Querdenker“. Eine Frau trägt einen Sticker mit der Aufschrift „Nicht geimpft“ an der Brust.

Die Ausgangsbeschränkungen im Freistaat seien vom höchsten Gericht als nicht verfassungsgemäß bewertet worden. „Söder müsste sofort zurücktreten“, meint sie. Die Gruppe trifft sich anschließend beim Vietnamesen am Stadtrand zum Essen.

Sollten entgegen den Erwartungen tatsächlich mehr als eine Million Unterschriften zusammenkommen, würde ein Volksentscheid über die Abberufung des Landtags stattfinden. Erhielte die Forderung eine Mehrheit, würde das Parlament neu gewählt werden. Und zwar etwa ein Jahr vor dem regulären Wahltermin im Herbst 2023.

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