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Blumen liegen in der Nähe des Attentatsorts in Oslo.

© AFP

Nach Anschlag auf Moschee in Norwegen: Sicherheitsbehörden fürchten Eskalation rechten Terrors

Der Anschlag auf die Moschee in Norwegen wurde rechtzeitig gestoppt. Sicherheitsexperten und Behörden befürchten nun Nachahmungstaten.

Von Frank Jansen

Ein weiteres rechtsextremes Massaker wurde mit viel Glück verhindert, doch die Sorgen der Sicherheitsbehörden werden noch größer. Nach dem nur knapp gescheiterten Anschlag auf eine Moschee in Norwegen am vergangenen Sonnabend ist in Deutschland bei Polizei und Nachrichtendiensten die Furcht vor einer weiteren Eskalation rassistischen Terrors zu hören.

Ein hochrangiger Sicherheitsexperte sagte jetzt dem Tagesspiegel, die rassistischen Angriffe bewaffneter Rechtsextremisten in Neuseeland, Deutschland, den USA und nun in Norwegen seien „eine Serie im selben Ideologieraum“. Ein Ende sei nicht in Sicht, weltweit müsse mit Nachahmern gerechnet werden. „Der rechtsextremistische Terror wird so gefährlich wie der islamistische“, warnte der Experte.

Am Sonnabend hatte im Osloer Vorort Baerum der 21 Jahre alte Philip Manshaus in der Al-Nur-Moschee um sich geschossen. In dem Gotteshaus hielten sich drei betende Männer auf, ein Dutzend weiterer Muslime hatte die Moschee erst kurz zuvor verlassen. Manshaus war mit zwei Schrotflinten und einer Pistole bewaffnet. Einer der Betenden in der Moschee, der 65-jährige Mohamed R., reagierte schnell und überwältigte den Attentäter. Mohamed R. erlitt nur eine leichte Verletzung. Die Polizei nahm Philip Manshaus fest. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung entdeckten die Beamten die Leiche der 17-jährigen Stiefschwester des Schützen. Vermutlich hatte er sie getötet.

Manshaus wollte offenkundig ein Massaker anrichten wie der von ihm verehrte Brenton Tarrant im März in Neuseeland. Der Australier hatte in Christchurch in zwei Moscheen 51 Muslime erschossen. Tarrant trug eine Bodycam, der Angriff wurde live bei Facebook übertragen. Manshaus war nun auch mit einer Kamera unterwegs, doch die Verbindung zu Facebook kam nicht zustande.

"Rassenkrieg" geplant

Wie Tarrant stellte auch Manshaus ein rassistisches Manifest ins Internet. Der Norweger schrieb, der „heilige Tarrant“ habe ihn ausgewählt. Es gehe darum, einen Rassenkrieg auszulösen. In dem Hassposting berief sich Manshaus nicht nur auf Tarrants Attacke. Er nannte auch den Angriff des US-amerikanischen Judenhassers John Timothy Earnest auf eine Synagoge in Kalifornien. Earnest hatte im April im Ort Poway in dem Gotteshaus geschossen. Eine Frau starb, drei weitere Menschen wurden verletzt.

Manshaus erwähnte auch das Massaker in El Paso (Texas). Dort hatte am 3. August der US-Amerikaner Patrick Crusius aus Hass auf Latinos in einem Supermarkt auf Kunden und Personal gefeuert, 22 Menschen starben, darunter ein Deutscher, 26 Personen wurden verletzt. Crusius hatte ebenfalls ein Manifest gepostet, auch er nannte Tarrant als Vorbild.

Obwohl Manshaus kein Massaker anrichten konnte, ist Norwegen wieder geschockt. Am 22. Juli 2011 hatte das Land schon einen Gewaltexzess erlebt. Der Rassist Anders Breivik zündete in Oslo eine Autobombe und erschoss auf der Insel Utoya linke Jugendliche. 77 Menschen kamen ums Leben, Hunderte erlitten Verletzungen. Der Attentäter wollte die damalige sozialdemokratische Regierung für ihre Migrationspolitik bestrafen.

Der vom Tagesspiegel befragte Sicherheitsexperte hält die rechten Schusswaffenanschläge 2019 für eine sich selbst verstärkende Serie.

Er zählt auf: im März der Angriff auf die Moscheen in Christchurch, im April der Anschlag auf die Synagoge in Poway, im Juni der Mord an Walter Lübcke in Wolfhagen (Hessen), mutmaßlich begangen von dem Neonazi Stephan Ernst wegen Lübckes Engagement für Flüchtlinge, im Juli – am achten Jahrestag des Doppelanschlags von Breivik – die Schüsse des Rassisten Roland K. auf einen Eritreer im hessischen Wächtersbach, im August das Massaker in El Paso und der Angriff auf die Moschee in Norwegen. Zur Frage nach einer Prognose sagte der Experte: „Die ist negativ“. Rassismus wachse über das Internet zu einer globalen Ideologie zusammen.

Der rechte Terror und auch die drohenden Wahlerfolge der AfD in Brandenburg, Sachsen und Thüringen veranlassen jetzt die SPD zu einem dramatisch klingenden Appell. Es sei „höchste Zeit, unsere demokratische Ordnung zu stärken und härter zu verteidigen“, heißt es in einem Beschluss des Parteipräsidiums vom Montag.

In dem vierseitigen Papier mit dem Titel „Wir gegen rechts“ mahnen die Sozialdemokraten, „nie wieder dürfen wir Nazis feixen lassen, dass die Demokratie selbst alles geliefert habe, um sie umzubringen“. Die SPD fordert ein Verbot der rechtsextremen Gruppierung „Combat 18“, ein „länderübergreifendes Frühwarnsystem für rechte Gefährder“,eine „Nulltoleranz-Strategie“ gegen Rechtsextremisten, „die die Strafbarkeitsgrenze überschreiten“, sowie einen „Aktionsplan gegen Hass im Netz“. Das Präsidium erwähnt auch rechte Tendenzen in der Polizei, dem solle mit einer verbesserten Ausbildung begegnet werden.

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