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Fahnenwucht. Nach und nach tauchen in den Szenarien der Ermittler weitere Personen aus ganz Deutschland auf. Nicht ganz unwichtige unter ihnen kommen auch aus Berlin.

© dapd

Rechter Terror: Untergetauchte Rechtsextremisten haben Hilfe aus Berlin bekommen

Die drei Mitglieder der rechten Terrorzelle wurden wohl auch aus der Hauptstadt unterstützt. Es scheint möglich, dass sie dort Waffen und Wohnmobile erhielten – und das schon früh.

Von Frank Jansen

In dem wuchernden Geflecht aus Indizien und Verdachtsmomenten, mit dem sich die Ermittler im Fall der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ befassen müssen, werden auch die Hinweise auf Berlin interessant. Sicherheitskreise skizzieren ein Szenario, in dem sogar Wohnmobile und Waffen vorkommen. Es erscheint möglich, dass die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe auch aus der rechtsextremen Szene Berlins unterstützt wurden – schon früh.

Eine Schlüsselfigur ist der Thüringer Neonazi André K., der Ende der 90er Jahre offenbar viel unterwegs war, um Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zu helfen. Im Februar 1998, da waren die drei gerade abgetaucht, sei André K. nach Berlin gefahren, um einen NPD-Funktionär und eine Frau aus dem braunen Milieu zu treffen, berichten Experten. André K. habe gefragt, ob die beiden vielleicht Anschriften von „Kameraden“ im Ausland wüssten, die Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe aufnehmen könnten. Welche Adressen die Berliner nennen konnten, ist offen. Aber womöglich hatten sie auch etwas anderes zu bieten: Wohnmobile und einen Unterschlupf. Mundlos und Böhnhardt sind bekanntlich zu mehreren Tatorten mit einem Wohnmobil gefahren.

Die mit dem NPD-Funktionär gut bekannte Berliner Frau, die André K. im Februar 1998 besucht haben soll, hätte mit einem Wohnmobil aushelfen können. Und mit einem Versteck auf einem Barackengelände, auf dem mehrere Wohnmobile abgestellt waren. Es sei denkbar, sagen Sicherheitsexperten, dass der mutmaßliche NSU-Unterstützer Holger G. von der Berliner Frau ein Wohnmobil mietete und Mundlos und Böhnhardt zur Verfügung stellte.

Holger G. ist der erste Tatverdächtige aus dem Umfeld der Terrorzelle, der festgenommen wurden. Am 13. November holte ihn die Polizei nahe Hannover ab. Der 37-jährige Mann soll jahrelang den NSU unterstützt haben, unter anderem mit seinem Reisepass und seinem Führerschein. Und es war Holger G., der bei der Beschaffung von Wohnmobilen direkt oder indirekt tätig war, meist in Sachsen. Auf seinen Namen wurde das Wohnmobil gemietet, mit dem Mundlos und Böhnhardt im April 2007 in Heilbronn auftauchten. Dort sollen sie die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen und deren Kollegen lebensgefährlich verletzt haben. Auch auf dem Mietformular des Wohnmobils für den letzten Auftritt von Mundlos und Böhnhardt stand Holger G. In dem Fahrzeug, geparkt im thüringischen Eisenach, erschoss Mundlos am 4. November Böhnhardt. Dann zündete er das Wohnmobil an und tötete sich selbst.

Die zweite Spur nach Berlin

Bei der zweiten Spur, die nach Berlin führt, kommt eine weitere, nicht ganz unwichtige Figur aus der rechten Szene ins Bild. Jan W., Ende der 90er Jahre Chef der sächsischen Sektion der internationalen Skinhead-Vereinigung „Blood & Honour“, sei offenbar Ende der 90er Jahre zur selben Zeit in Berlin gewesen, als ein Polizist die gesuchten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in der Stadt gesehen haben wollte, sagen Experten. Der Beamte hatte sich gemeldet, nachdem im Mai 2000 in einer Folge der vom Mitteldeutschen Rundfunk ausgestrahlten Sendung „Kripo live“ die deutsche Öffentlichkeit zur Mithilfe bei der Fahndung nach den drei Flüchtigen gebeten wurde. Haben sich also Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe mit Jan W. in Berlin getroffen? Vielleicht sogar auf dem Gelände mit den Wohnmobilen?

Schon dieser Verdacht ist brisant, da der Brandenburger Verfassungsschutz im Herbst 1998 die Kollegen in Thüringen und Sachsen warnte, Jan W. beschaffe Waffen für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe. Die Information hatte ein rechtsextremer V-Mann mit dem Decknamen „Piato“ geliefert. Piato war eine Szenegröße, vorbestraft wegen einer schweren Gewalttat, und doch eine offenbar ergiebige Quelle. Ein Beispiel: Auf eine Warnung von Piato hin verhinderte die Polizei einen Übergriff Berliner Neonazis auf den Tagesspiegel.

Jan W. war in der Berliner Szene weithin bekannt, weil er die Band „Landser“ unterstützte, die im Milieu von Neonazis und rechten Skinheads bis heute Kultstatus genießt. Landser waren die erste braune Band, die als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde. Das Urteil des Berliner Kammergerichts vom Dezember 2003 rief in der Szene wütende Reaktionen hervor. Jan W. jedenfalls soll mit dem Verkauf von Landser-CDs viel Geld verdient haben. Hat er damit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt? Es fällt auf, dass sich die drei flüchtigen Neonazis, zumindest nach bisherigem Erkenntnisstand, vom Abtauchen im Februar 1998 an 20 Monate über Wasser hielten, bevor dann im Oktober 1999 in Chemnitz der erste Banküberfall verübt wurde. Die Beute war jedoch mit knapp 5800 D-Mark eher mager. Also wurde drei Wochen später erneut zugeschlagen, wieder in Chemnitz. Diesmal entkamen Mundlos und Böhnhardt mit fast 63 000 Mark.

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