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Rechter Verein: Neonazis drillen ihren Nachwuchs

Experten hoffen auf ein Verbot des Jugendvereins Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ). Diesen nutzen Neonazis offenbar, um ihren Nachwuchs heranziehen. Auch der Verfassungsschutz warnt vor der Organisation.

Versteckt hinter Feldern und Wäldern schlagen Neonazis jeden Sommer für ihren Nachwuchs die Zelte auf. Auf dem Programm des rechtsextremen Vereins Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) stehen Märsche, Appelle und Mutproben, wie dessen Werbevideos dokumentieren. Sogar von Scheinhinrichtungen war in der Vergangenheit die Rede. Mädchen in langen Röcken und Jungen in Zunfthosen werden in den Ferienlagern militärisch gedrillt. Ziel ist die ideologische Schulung und körperliche Ertüchtigung der Kinder. Experten sind sicher, dass die HDJ auch in Berlin und Brandenburg aktiv ist.

Nach Kenntnissen von Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber zählt die HDJ in der Mark 30 bis 40 aktive Erwachsene. Diese lebten überwiegend im Speckgürtel um Berlin. Meist sei die ganze Familie Mitglied des Vereins. Es gebe kaum Aussteiger aus dieser Szene. Denn wer sich von der HDJ verabschiede, der breche auch mit seiner Familie, betont Schreiber. Wer aussteige, gehe in eine Art "inneres Exil".

Verfassungsschutz warnt vor der HDJ

Die Verfassungsschutzchefin warnte vor der HDJ. Sie sei schwer erkennbar. Ihre Lager veranstalte sie abgeschottet und geheim. Oft wirkten die Camps wie Pfadfinderlager. Da die Organisation sich so gut tarne, werde sie von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Der fehlende äußere Druck und der große innere Zusammenhalt der HDJ könne zu einem weiteren Wachstum des Vereins führen.

Schreiber fügte hinzu, die HDJ stehe eindeutig in der Tradition der 1994 verbotenen Wiking-Jugend, die als eine der größten und militantesten Gruppen in der rechtsextremen Szene galt. Das Bundesinnenministerium verwies auf Parallelen zur Hitlerjugend und verbot ausdrücklich, Ersatzorganistionen zu bilden. Aus Sicht von Schreiber liegt es daher auf der Hand, dass jetzt auch ein Verbot der HDJ geprüft wird. Damit könnten das Marketing zerschlagen und finanzielle Grundlagen entzogen werden.

"Kaderschmiede der Neonazis"

Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Gideon Botsch vom Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum gehören der HDJ bundesweit rund 400 Jugendliche an. Die "Einheit Preußen" der HDJ sei dabei ein aktiver Verband, der auch bundesweit eine Rolle spiele. Gemeinsam mit anderen rechtsextremen Gruppen richte die HDJ den jährlich stattfindenden "Märkischen Kulturtag" aus, bei dem vor zwei Jahren in Blankenfelde eine Journalistin von Neonazis angegriffen wurde. Zuletzt erregte die Einheit Aufmerksamkeit, als ihre Anhänger im vergangenen Jahr in Uniform durch Oranienburg marschierten.

Die HDJ ist eigenen Angaben zufolge eine "aktive, volks- und heimattreue Jugendbewegung für alle deutschen Mädel und Jungen im Alter von 7 bis 29 Jahren", wie es auf ihrer Homepage heißt. Doch nach Einschätzung von Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv (apabiz) steht dahinter das Prinzip des Lebensbunds: "Sie arbeiten mit Menschen vom Still- bis zum Rentenalter." Bei den Lagern hätten Frauen ihre Babys dabei, für alle gebe es in der braunen Parallelwelt ein Betätigungsfeld. Ziel der HDJ sei es, den Nachwuchs im nationalsozialistischen Sinne zu erziehen. "Das ist die Kaderschmiede der Neonazis", sagt Jentsch.

Schwierig wieder rauszukommen

Der Chef des Mobilen Beratungsteams in Brandenburg, Dirk Wilking, hebt den elitären Charakter des Vereins hervor: "Da soll nicht jeder rein." Seit den 50er Jahren gebe es eine relative Kontinuität - sowohl personell als auch ideologisch. Nach Ansicht von Wilking ähnelt die HDJ einer Sekte. Es sei eine hermetische Gruppe. "Für Jugendliche ist es total schwer, da wieder rauszukommen", sagt er. Wer während der Pubertät nicht dagegen rebelliere, sei für die demokratische Gesellschaft verloren.

Die Einschätzungen der Experten gehen darüber auseinander, ob die HDJ in dem geplanten Schulungszentrum der NPD in Biesenthal einen Unterschlupf für ihre Aktivitäten finden könnte. Während Jentsch und Botsch von der engen Kooperation überzeugt sind, sagt Wilking: "Das wird sich die NPD nicht trauen." Die Partei wisse, dass der Verein kurz vor einem Verbot stehe und wolle sicher keine Razzia in ihrem Gebäude riskieren.

Kathrin Hedtke, Susann Fischer[ddp]

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