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Politik: Rechtextremismus: Doppelt riskant (Kommentar)

In Zeiten großer Aufregung erschallt rasch der Ruf nach harten Maßnahmen. Das war in der Kampfhunde-Debatte zu erleben und auch berechtigt, beim vulkanartigen Ausbruch der Empörung über rechtsextreme Umtriebe ist es ähnlich - und doch anders.

Von Frank Jansen

In Zeiten großer Aufregung erschallt rasch der Ruf nach harten Maßnahmen. Das war in der Kampfhunde-Debatte zu erleben und auch berechtigt, beim vulkanartigen Ausbruch der Empörung über rechtsextreme Umtriebe ist es ähnlich - und doch anders. Ein Verbot der NPD muss her, fordert nicht nur Bayerns Innenminister Günther Beckstein. Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Grüne schließen sich dem CSU-Politiker an. Doch das Verlangen, nach fast einem halben Jahrhundert wieder die ganz große Keule hervorzuholen, lässt sich mit rationalen Argumenten kaum begründen. Wer ein Verbot der NPD befürwortet, verkennt nicht nur die juristischen Risiken. Unterschätzt werden auch die Hartnäckigkeit der Partei und die Flexibilität der Neonazi-Szene.

Die juristischen Risiken sind offenkundig. Um das Bundesverfassungsgericht zu überzeugen, müsste der beantragende Innenminister säckeweise Material vorlegen. Mit dem eindeutig belegt werden kann, dass die NPD "aggressiv-kämpferisch", so der juristische Terminus, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland angreift. Wer das Geschick der NPD-Funktionäre kennt, die Schmerzgrenzen der Demokratie zu testen, ohne sie zu überschreiten, kann sich die Präsentation hinreichend gerichtsfester Indizien für ein Verbot kaum vorstellen. Außerdem können sich die Anwälte der Partei mit den Juristen eines Innenministeriums erfolgreich messen, wie Beckstein soeben erfahren musste. Das 1993 verfügte Verbot eines Bundesparteitages der NPD in Niederbayern hat die Partei sieben Jahre lang bekämpft - bis ihr der Verwaltungsgerichtshof München nun Recht gab. Eine Warnung.

Klarer noch sind die politischen Risiken zu erkennen. Nachdem in der ersten Hälfte der neunziger Jahre die meisten Neonazi-Vereine verboten wurden, hat die rechte Szene etwa zwei Jahre gebraucht, um sich in formal unstrukturierten, "freien Kameradschaften" zu reorganisieren. Inzwischen gibt es rund 150, sie sind fast nur strafrechtlich zu packen. Ein Teil dieser Gruppierungen ist mit der NPD liiert - würde die Partei verboten, stünden die Kameradschaften als Auffangbecken zur Verfügung.

Statt über ein Verbot zu reden, sollten Demokraten die NPD beim Wort nehmen: Wenn sie den "Kampf um die Köpfe" will, soll sie ihn haben. Überall da, wo sie sich breitmacht.

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