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Rechtsextreme marschieren in Potsdam in Richtung Babelsberg.

© dpa

Rechts- und Linksextremismus in Deutschland: Sich vom Feind abgrenzen

Nach Angriffen auf NPD-Funktionäre in Berlin legten militante Neonazis Brände an von Linken genutzten Häusern. Was beide Flügel antreibt, ist die negative Abgrenzung zum Feind. Auch gewalttätige Linksextreme suchen vermehrt die direkte Konfrontation mit ihren Gegnern.

Nähern Links- und Rechtsextreme sich an? Es gibt Wissenschaftler, die vor einer pauschalen Gleichsetzung warnen. So habe bisher die Körperverletzung und Lust an der direkten Zerstörung des Kontrahenten mehr im Mittelpunkt rechtsextremer Gruppen gestanden habe, sagte Uwe Backes vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden. Bei gewalttätigen Linksextremen sei hingegen schon immer der Steinwurf charakteristisch gewesen. Doch sei in den letzten zehn Jahren die Zahl der Körperverletzung am Gesamtaufkommen politischer Delikte auf beiden Seiten gestiegen. „Und seit einiger Zeit setzen auch gewaltbereite Linksextreme vermehrt auf die direkte Konfrontation, was die steigende Zahl der Körperverletzung im Gesamtaufkommen linksextremistischer Delikte zeigt.“

Der Feind als Identifikationsobjekt

Linksextreme und Rechtsextreme definieren sich über die negative Abgrenzung zum Feind: „Das Nazischweine oder die Zecke - beides tierische Begriffe“, sagte Backes. Bei der Analyse der beiden Flügel sei deren Interaktionsdynamik enorm wichtig. Üblich sei beispielsweise, dass der gewalttätigen Aktion einer Gruppe die Gegenaktion der anderen folge. Diese würden konjunkturell und wellenartig auftreten und dann wieder abebben. Gründe seien beispielsweise Straßenaufmärsche oder Wahlkampfaktionen der Rechten, die zur Mobilisierung der Linken führten. Zudem werde dieser Verlauf durch eine stärkere Aufmerksamkeit der Medien befördert, weil sie die Antifa mit Gegenaktionen auf den Plan rufe, was wiederum die rechte Konfrontationsgewalt stimuliere.

Neben dem Internet als Informationsmedium haben viele der Gruppen in dieser Zeit auch das Ziel, zum Thema der großen Medien zu werden. "Denn je aufgeregter dort diskutiert wird, desto größer ist die Mobilisierung in den jeweiligen Flügeln", sagte Backes. Dies könne auch in Berlin der Fall gewesen sein. „Hinzu kommt, dass in Berlin eine starke militante, rechtsextreme Szene agiert, aufgrund deren Präsenz die Mobilisierungseffekte der linken Gegenseite stärker sind als andernorts.“.

Gewalt als Mittel zum Zweck oder Ausdruck eines Hassgefühls

Zwischen den links- und rechtsextremen Gruppen bestehen zwar Gemeinsamkeiten, aber auch enorme Unterschiede. Zudem weisen beide Gruppen ein großes Spektrum verschiedener Selbstverständnisse auf. "Auch sind nicht alle Gruppen gewalttätig", sagte Backes. In der gewalttätigen, linksextremen Szene gebe es wenige, unter einem festen Verständnis agierende Gruppen. Die meisten kämen für spontane Aktionen zusammen. Dabei sei die Zielorientierung im linksextremen Flügel schon immer stärker als die des rechten gewesen. Der Einsatz von Gewalt habe bei Linksextremen dabei schon immer mehr als Mittel zum Zweck gegolten und sei weniger Ausdruck eines Hassgefühls gewesen wie bei Rechtsextremen. Der größte Unterschied beider Flügel zeige sich jedoch in deren Feindbild, sagte Backes. "Innerhalb der autonomen Szene gibt es viele, die auf das Thema Antifaschismus fixiert sind. Ihnen schwebt gleichsam eine bundesweit nazifreie Zone vor. Auf der rechtsextremen Seite ist der Feind Nummer eins eigentlich nicht die ‚linke Zecke’, sondern der Migrant oder der Fremde."

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