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Die Zahl der Rechtsextremen nimmt in Deutschland zu.

© Thomas Frey/dpa

Rechtsextreme nutzen jede Schwäche: Deutschland muss wachsamer werden

Mehr als 32.000 Rechtsextremisten zählt der Verfassungsschutz bundesweit. Noch ist es nicht zu spät, der Gefahr entgegenzutreten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Wird das jetzt normal? In Sachsen-Anhalt trägt der CDU-Politiker Robert Möritz ein Nazi-Tattoo, er ist als Ordner bei einer rechtsextremen Demonstration mitgelaufen und er tritt erst jetzt aus dem anrüchigen Verein Uniter aus, als Medien über den Mann berichten. Doch die Christdemokraten stärken Möritz den Rücken.

Ebenfalls in Sachsen-Anhalt wird im Ort Tröglitz der ehemalige Bürgermeister Markus Nierth gemobbt, weil er sich 2015 Rassisten entgegenstellte, die gegen ein Flüchtlingsheim agitierten. Das Gebäude ging in Flammen auf. Nierth und seine Familie werden womöglich Tröglitz verlassen.

In Mecklenburg-Vorpommern zweigen SEK-Beamte Munition für rechte Prepper ab, in Hessen senden sich Polizisten Hakenkreuze per WhatsApp und bedrohen mutmaßlich die engagierte, türkischstämmige Anwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie.

Der Rechtsextremismus ist auf dem Vormarsch. Er will nicht weniger als eine Kulturrevolution. Das Spektrum der Akteure reicht von tiefbraun bis hellbraun, von Neonazis und NPD über Hooligans, Rechtsrockbands und Pegida-Krakeeler bis zu den AfD-Einpeitschern Björn Höcke und Andreas Kalbitz.

Rechtsextreme – die Demokratie weicht zurück

Die liberale Demokratie, so scheint es, weicht zurück. An manchen Orten ist der Kipppunkt bereits erreicht. In Dörfern, in denen Rechtsextreme die Macht haben, andere einzuschüchtern, leben Nazi-Gegner in Angst. Oder sie ziehen fort.

Mancherorts finden die Normalbürger ringsum die Rechtsextremistenpopulisten weniger schlimm als vermeintliche Nestbeschmutzer wie den ehemaligen Tröglitzer Bürgermeister Markus Nierth. Rechtsextremismus gewinnt auch im scheinbar normalen Bürgertum an Boden. So wird die Demokratie ausgehöhlt.

Trübe Tradition

Dieser Befund ist nicht neu. Die trübe Tradition reicht zurück bis zu den Krawallen Anfang der 1990er Jahre in Hoyerswerda und Rostock, als Neonazis Flüchtlinge jagten und Bürger applaudierten. NPD und DVU waren schon in ostdeutschen Landtagen präsent, bevor Pegida in Dresden aufmarschierte und die AfD sich zusehends radikalisierte – und trotzdem gewählt wurde und wird.

Regierungen und Sicherheitsbehörden reagieren heftig auf deutlich sichtbare Schockerlebnisse Wahlerfolge rechtsextremer Parteien, die Mordserie des NSU, das Attentat auf Walter Lübcke und den Anschlag auf die Synagoge in Halle. Der leise, alltägliche Schrecken jedoch wird zu wenig wahrgenommen. Wer darüber spricht, wie Initiativen gegen Rechts und für Demokratie, muss Jahr für Jahr um Aufmerksamkeit und Finanzhilfen kämpfen.

Rechtsextreme – Zentralstelle war überfällig

Dennoch: es ist nicht zu spät, der rechten Gefahr entgegenzutreten. Dazu gehört, dass der Verfassungsschutz seine Frühwarnfunktion wahrnimmt. Deshalb ist es das richtige Signal, dass der Nachrichtendienst die Mitglieder der AfD-Vereinigungen „Der Flügel“ und „Junge Alternative“ jetzt dem rechtsextremen Spektrum zurechnet.

Das Bild der Bedrohung wird schärfer. Mehr als 32.000 Rechtsextremisten zählt der Verfassungsschutz bundesweit, ein Drittel mehr als noch 2018, vor allem, weil Teile der AfD mitgerechnet werden. Und es ist überfällig, dass das Bundesamt in Köln nun eine Zentralstelle einrichtet, die rechtsextreme Umtriebe bei der Polizei und in weiteren Behörden unter die Lupe nimmt. Besser spät als nie. Deutschland muss wachsamer werden. Wie alle Extremisten nutzen auch die Rechten jede Schwäche aus.

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